Finanzen
Fokus auf Gefühl! Eine Finanzexpertin über die Rolle der Emotionen in ihrer Branche
Das hart verdiente Geld in Aktien anzulegen, ruft bei einem Großteil der Deutschen immer noch eine deutliche Skepsis hervor. Nur 20 Prozent wagen den Schritt an die Börse – und nicht wenige von ihnen scheitern. Warum das so ist, weiß die Wirtschaftsprofessorin und Finanzexpertin Prof. Dr. Karina Lergenmüller. In unserem Interview spricht sie über das rasante Wachstum ihrer Branche, fundierte Anlageentscheidungen, die Macht der Emotionen und ihr neues Buch.
Frau Prof. Dr. Lergenmüller, Sie haben sich als Finanzexpertin und -beraterin einen Namen gemacht und gerade Ihr zweites Buch verfasst. Wieso haben Sie sich für die Selbstständigkeit entschieden; Sie waren zuvor ja auch als Angestellte im Finanzbereich tätig?
Als Angestellte im Finanzbereich war ich nur einige wenige Jahre tätig. Ich vertrete schon immer einen ganz eigenen Ansatz, wenn es um Finanzen geht. Das ist auch der Grund, warum ich bereits zwei Bücher dazu geschrieben habe. Wenn es um Finanzen geht, wird fast ausschließlich über Fakten, Zahlen, Märkte, Finanzinstrumente, etc. geredet. Das erweckt bei vielen Menschen den Eindruck, Finanzen seien ein ganz langweiliges Thema.
Das sind Finanzthemen aber gerade nicht. Denn Finanzen sind zu 95 Prozent ein emotionales Thema. Geld und Finanzen bestimmen unser Leben, bestimmen wie wir leben können. Mit viel Geld leben wir anders als mit wenig Geld. Mit viel Geld kann man morgens aufstehen und tun und lassen, was man will. Das ist Freiheit. Danach sehnen sich die meisten Menschen. Das heißt, beim Thema Finanzen geht es für die Menschen nicht um irgendwelche Finanzprodukte oder Finanzkonstrukte. Es geht nicht um das Geld und nicht um die Finanzen an sich.
Es geht den Menschen um ihr Leben. Es geht ihnen um das Leben, das sie führen wollen und wofür sie einen bestimmten finanziellen Rahmen benötigen. Und da haben sie Ängste, Befürchtungen, Erfahrungen und auch Vorurteile. Die Gedanken, Gefühle und Emotionen der Menschen sind mit den Finanzthemen eng verknüpft. Finanzen aus diesem Blickwinkel zu betrachten, ist in der Finanzbranche nicht üblich. Das ist der Grund, warum ich die Selbständigkeit gewählt habe.
Finanzberater gibt es viele. Wie ist es Ihnen gelungen, auf diesem stark umkämpften Markt Fuß zu fassen und auch erfolgreich zu bleiben?
Ja, es gibt sehr viele Finanzberater. Die allermeisten davon können Finanzprodukte hervorragend erklären und Finanzmärkte hervorragend analysieren. Was sie dabei vergessen, ist die emotionale Seite der Finanzen. Es geht gar nicht um die trockene Materie Geld und Finanzen. An Geld und Finanzen hängen ganze Schicksale, hängt das gesamte Leben. Und diese beiden Dinge bringe ich zusammen.
Ich betrachte einerseits die Finanzen, die Finanzprodukte, Aktien, Börsen und Märkte. Dabei kommt mir meine lange Erfahrung in diesem Bereich zu Hilfe, also meine langjährigen Forschungen als Professorin für Wirtschaft und Finanzen, meine vielfältigen Tätigkeiten als Aufsichtsrätin in börsennotierten Unternehmen und meine Erfahrungen als selbstständige Investorin mit dem Aufbau meines eigenen Vermögens.
Andererseits beschäftige ich mich seit Jahren mit dem Thema, was unterscheidet Menschen, die arbeiten und arbeiten und kaum Vermögen bilden von Menschen, die quasi aus dem Nichts heraus große Vermögen aus dem Boden stampfen.
Beide Bereiche – einerseits die Finanzen und andererseits das Streben der Menschen nach Freiheit – bringe ich zusammen. So bin ich in der Lage, Menschen hin zur Freiheit und hin zum Vermögen zu begleiten. So versetze ich sie in die Lage, wirkliche finanzielle Unabhängigkeit zu erreichen. Der Mensch steht für mich im Mittelpunkt, mit seinen gesamten Gefühlen und Emotionen. Das spüren die Menschen. Ich denke, das ist der Grund, warum ich erfolgreich bin und das auch an andere Menschen weitergebe.
Auch die Zahl der Aktionäre in Deutschland ist in den letzten Jahren gewachsen. Doch welche Voraussetzungen benötigen Menschen eigentlich, um ihr Geld gewinnbringend an der Börse anzulegen und inwiefern kann eine professionelle Beratung dabei unterstützen?
Um Geld gewinnbringend an der Börse anzulegen – und das wird Sie jetzt überraschen, denke ich – braucht man nur einen gesunden Menschenverstand. Kaufen Sie Aktien, wenn sie billig sind und verkaufen Sie Aktien, wenn sie teuer sind. Das ist doch ganz einfach, oder? Aber warum machen das die allerwenigsten Anleger? Warum kaufen vor allem Privatanleger dann, wenn die Aktien-Kurse steigen und damit die Aktien teuer werden und verkaufen, wenn die Aktien-Kurse fallen und damit die Aktien billiger werden? Das sage ich nicht nur so. Das ist statistisch signifikant belegt. Privatanleger kaufen Aktien, wenn sie teuer werden und verkaufen Aktien, wenn sie billig werden.
Kein Wunder, dass so viele Anleger Geld verlieren und dann die Finger von der Börse lassen. Es sagt ihnen keiner, wann die Aktien billig sind und wann die Aktien teuer sind. Ganz im Gegenteil. Bei steigenden Aktien-Kurse sind die Finanznachrichten positiv. Erfolgsgeschichten werden erzählt, von tollen Kurssprüngen wird berichtet. Daraufhin kaufen die Anleger die Aktien viel zu teuer. Bei fallenden Aktien-Kursen dagegen sind die Finanznachrichten negativ. Von stark fallenden Kursen wird berichtet, das Negative wird übertrieben, Katastrophen werden an die Wand gemalt. Jetzt verkaufen die Anleger ihre Aktien – und zwar viel zu billig. Genau falsch herum! Gewinnbringend an der Börse investieren, heißt, alles anders machen als die Masse.
Und da sind wir wieder beim Zusammenhang zwischen Finanzen und Emotionen: Das Finanzthema ist ein emotionales Thema, geprägt von den Ängsten und Befürchtungen der Menschen. Diese Angst muss man ihnen nehmen. Das schafft man, indem man einen sicheren Rahmen entwickelt für die Menschen und ihre Finanzen. Ein solch sicherer Rahmen besteht aus einfachen Strategien. Eine dieser Strategien lautet »Aktien kaufen, wenn sie günstig sind und verkaufen, wenn sie teuer sind.« Das versteht jeder. Aber dann muss ja auch noch die praktische Frage beantwortet werden: Welche Aktien sind denn gerade jetzt billig oder teuer?
Das muss man den Menschen auch noch erläutern. Es gibt ja zigtausend Aktien. Eine richtig gute, professionelle Beratung setzt deshalb an diesen beiden Punkten an. Sie berücksichtigt die Emotionen der Menschen und gibt gleichzeitig eine konkrete Orientierung und Hilfe durch den für viele Anleger undurchsichtigen Finanzdschungel.
Gerade Frauen sind an der Börse immer noch unterrepräsentiert. Woran liegt das Ihrer Einschätzung nach und welche Möglichkeiten haben Unternehmer, um diese Personengruppe anzusprechen?
Die Börse und die Finanzbranche werden von Männern dominiert. Weniger als zehn Prozent Frauen sind in den Führungsetagen tätig. Damit dominiert auch eine eher rationale männliche Denkhaltung.
Weiterhin ist die Atmosphäre an der Börse von Rivalität geprägt. Das schreckt Frauen ab. Frauen suchen Verbindlichkeit, Menschliches, sind emotionaler als Männer. Wie ich schon oben sagte, Emotionen und Gefühle werden nicht mit Börse und nicht mit Finanzthemen verbunden. Obwohl schon der legendäre André Kostolany viele Bücher über Börse und Emotionen geschrieben hat. Vielleicht kommt das nicht so bei den Frauen an, weil Kostolany ein Mann ist. Ich als Frau habe erfahren, dass viele Frauen sich stark für das Thema Börse interessieren, wenn ich es von der emotionalen Seite darstelle. Mein erstes Buch berichtet von meiner eigenen finanziellen Freiheit, rein aus der emotionalen Sicht.
Es beginnt mit dem Satz »Alles begann, als ich mich endlich von meinem Mann trennte …«. Darauf habe ich so unendliche viele herzliche, gefühlvolle, liebenswürdige Rückmeldungen von Frauen erhalten. Ich war total überrascht. Um Frauen für die Börse zu begeistern, sollte der emotionale Aspekt viel mehr in den Vordergrund gerückt werden. Kein anderes Thema ist dafür so sehr geeignet, wie das Thema Börse. Ich werde deshalb nicht müde werden, dies immer weiter zu verbreiten.
Es ist so wichtig, dass die Menschen frei werden. Und persönliche Freiheit ohne finanzielle Freiheit geht nicht. Ich hoffe, dass ich durch mein Tun viele, viele Frauen für die Börse begeistern kann. Denn wenn Frauen erstmal in Aktien investieren, sind sie erfolgreicher als Männer. Das liegt daran, dass Frauen sich weniger oft überschätzen und geduldiger agieren.
Seit zehn Jahren sind Sie als Finanzberaterin aktiv. Wie hat sich die Branche – beispielsweise durch die Digitalisierung – verändert und wie stehen Sie zu diesen Entwicklungen?
Die Branche ist enorm dynamisch geworden. Die Digitalisierung treibt die Entwicklung voran und sorgt für riesige Wachstumsimpulse. In den letzten 20 Jahren haben wir gesehen, wie aus diesem Wachstumsschub ganz neue Unternehmen entstanden, die heute zu den wertvollsten der Welt gehören, Apple, Google, Amazon, Netflix. Die Finanzbranche selbst wird durch die Digitalisierung, die Künstliche Intelligenz, die Krypto- und Blockchain-Technologie vollkommen umgekrempelt. In fünf bis zehn Jahren werden wir in einer komplett anderen Finanzwelt leben. Ich betrachte diese Entwicklung mit großem Interesse und sehe in erster Linie die großen Chancen für mehr Wohlstand, Reichtum und finanzielle Freiheit für so viele Menschen. Jede Entwicklung, jeder Fortschritt bedeutet auch, dass wir als Menschen uns verändern und in Bewegung bleiben. Ich beurteile dies positiv und als unverbesserliche Optimistin sehe ich neben den Risiken vor allem die enormen Chancen für richtig gute Investments.
Unsere Gesprächspartnerin:
Prof. Dr. Karina Lergenmüller ist Autorin und Professorin für Wirtschaft. Darüber hinaus ist sie Finanzexpertin für Selbstständige und Privatpersonen. In Seminaren und Coachings erläutert sie ihre Finanzkonzepte an praxisnahen Beispielen.
Beitragsbilder: Dustin Gehrmann
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