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Revolution ohne Rückfahrkarte: KI macht den Menschen zum Auslaufmodell

Ein Gastbeitrag von Matthias Weik

Ärzte, Lehrer, Experten – bald überflüssig? Nicht nur Bill Gates warnt vor einer rasanten KI-Revolution, die unser Arbeitsleben grundlegend verändern wird. Wer jetzt nicht handelt, wird morgen abgehängt.

Bill Gates wagt einen Blick in die Zukunft und sorgt mit einer ebenso klaren wie beunruhigenden Prognose für mehr als Gesprächsstoff: In einem Interview mit Jimmy Fallon in der NBC-Sendung The Tonight Show erklärte Microsoft-Mitgründer Gates, dass Künstliche Intelligenz (KI) in den kommenden zehn Jahren viele Aufgaben übernehmen werde, für die heute noch Menschen benötigt werden. Nein wir sprechen jetzt nicht von Jobs mit niedriger Qualifikation, sondern von Ärzten, Lehrern und andere Expertenberufe. All diese könnten schon bald durch KI-Systeme ersetzt werden.

»Mit KI wird guter medizinischer Rat oder exzellenter Nachhilfeunterricht in naher Zukunft kostenlos und allgegenwärtig sein«, so Gates. Was heute noch als seltenes Expertenwissen gelte, werde durch KI für alle zugänglich. Der US-Tech-Visionär spricht in diesem Zusammenhang von einer neuen Ära der »kostenlosen Intelligenz«. Ein Schüler in einem abgelegenen Dorf mit Zugriff auf Nachhilfe auf Harvard-Niveau – das ist keine Zukunftsvision mehr, sondern greifbare Realität.

Eine »tiefgreifende« und »beängstigende« Entwicklung

Im Gespräch mit dem Harvard-Professor Arthur Brooks betonte Gates, dass die Geschwindigkeit der Entwicklung auch ihn überrascht habe. »Es ist sehr tiefgreifend und sogar ein wenig beängstigend – weil es so schnell geht und es keine Grenze nach oben gibt. Tagtäglich macht die KI immense Fortschritte – und sie schreckt dabei auch nicht vor gesellschaftlichen, ethischen oder wirtschaftlichen Tabus zurück.

Diese technologischen Durchbrüche werden alles auf den Kopf stellen und nicht nur Medizin und Bildung revolutionieren, sondern nahezu alle Lebensbereiche betreffen. KI-gestützte Diagnosen, virtuelle Assistenten, digitale Nachhilfelehrer – bald wird all das zu unserem Alltag gehören.

Jobkiller oder Effizienztreiber?

Die Zukunft des Arbeitsmarktes in diesem neuen Zeitalter ist nicht unumstritten. Optimisten sehen in KI einen Effizienzschub, der zu mehr Wohlstand und neuen Arbeitsplätzen führen kann. Andere, wie Microsofts KI-Chef Mustafa Suleyman, warnen vor massiven Umwälzungen. Vermutlich werden gerade die Warner recht behalten.

Bei jeder Revolution – auch bei dieser digitalen Revolution, welche eine vollkommen neue Epoche einleiten wird – gibt es bekanntlich Gewinner und Verlierer. Ich bin überzeugt davon, dass sich diese Kluft in den nächsten Jahren dramatisch vertiefen wird. In seinem Buch The Coming Wave schreibt Suleyman, KI werde die menschliche Intelligenz nur vorübergehend ergänzen – letztlich aber in vielen Fällen ersetzen. Das könne sich »massiv destabilisierend« auf den Arbeitsmarkt auswirken. Auch ich vertrete diese Meinung. Für Menschen und auch Unternehmen mit geringer Qualifikation beziehungsweise dem fehlenden Willen, Veränderungen mitzumachen und sich darauf einzulassen, wird es zukünftig äußerst bitter. Die kommende Realität wird gnadenlos sein – Anpassung ist kein Bonus mehr, sondern Überlebensbedingung. 

KI als Chance – trotz Risiken

Trotz dieser Herausforderungen bleibt Gates grundsätzlich optimistisch. Er sieht in der KI große Chancen für die Menschheit – etwa bei der Bekämpfung tödlicher Krankheiten, im Kampf gegen den Klimawandel oder bei der Demokratisierung einer qualitativ hochwertigen Bildung. Besonders im Bereich Bildung liegt enormes Potenzial – wenn wir es verantwortungsvoll nutzen. Ich sehe das ähnlich. Vor kurzem habe ich einen Artikel mit dem Titel »Warum Künstliche Intelligenz bessere Entscheidungen für Deutschland treffen könnte« geschrieben. Das Interessante daran ist, dass ein Großteil des Artikels von der KI selbst geschrieben wurde, komplett ohne Änderungen meinerseits. Die Reaktionen waren gemischt – und genau das zeigt, wie sehr dieses Thema polarisiert.

»Es wird Dinge geben, die wir Menschen uns selbst vorbehalten – wie Baseball spielen«, sagte Gates im Gespräch mit Fallon mit einem Augenzwinkern. Aber in vielen anderen Bereichen – wie Produktion, Transport und Landwirtschaft – wird der Mensch langfristig entbehrlich sein.

Ich gehe allerdings nicht von »langfristig« aus, sondern eher von einem überschaubaren Zeitraum, in dem KI und Maschinen den Menschen zunehmend aus großen Teilen der Arbeitswelt verdrängt haben werden. Wir sollten aufhören, uns in falscher Sicherheit zu wiegen.

Gates warnt vor Risiken: Heutige KI-Systeme seien noch fehleranfällig und könnten zur Verbreitung von Falschinformationen beitragen. Dennoch würde er sich heute, wenn er ein neues Unternehmen gründen müsste, für ein KI-Start-up entscheiden. »Dort passieren die spannendsten Dinge.« Und wer jetzt noch zögert, könnte die nächste große Welle verpassen. Meiner Ansicht nach zögert Deutschland– und riskiert, von der größten technologischen Revolution des Jahrhunderts überrollt zu werden. Wer die KI-Welle jetzt verschläft, wird morgen wirtschaftlich irrelevant sein. Die Welt geht dann nicht unter, aber die Zukunft findet dann nicht mehr in Deutschland statt – sondern in Ländern, die den Mut haben, zu handeln. Dies wird massive Konsequenzen auf unseren Wohlstand haben. 

Gates’ Weitblick: Die Revolution kam schneller als gedacht

Schon vor Jahren hatte Gates das Potenzial der KI erkannt. 2017 bezeichnete er KI als das spannendste Feld der Zukunft. Besonders beeindruckt zeigte er sich von Googles DeepMind, das Menschen im Go-Spiel schlagen konnte.

Doch selbst Gates unterschätzte die Geschwindigkeit der Entwicklung: 2023 forderte er OpenAI heraus, ein Modell zu entwickeln, das eine AP-Biologie-Prüfung auf höchstem Niveau bestehen könne – er rechnete mit zwei bis drei Jahren. OpenAI brauchte nur wenige Monate.
»Das war der größte technologische Fortschritt seit der grafischen Benutzeroberfläche in den 1980er Jahren«, schrieb Gates später. Wenn selbst Gates überrascht wurde – wie sollen wir dann mithalten?

 Gates’ Einschätzung der KI ist eine Mischung aus Faszination und Warnung. Klar ist: In den kommenden Jahren wird sich entscheiden, wie wir als Gesellschaft mit dieser disruptiven Technologie umgehen – und wie wir sicherstellen, dass sie dem Menschen dient und ihn nicht ersetzt. Wir stehen am Scheideweg – zwischen Fortschritt für alle oder einer neuen digitalen Kluft.

Der Autor:

Matthias Weik befasst sich seit über zwei Jahrzehnten mit dem Thema Finanzen und ist Experte für Exitstrategien. Er zählt seit Jahren, mit sechs Bestsellern in Folge, zu den verlässlichsten Bestseller-Autoren im Bereich Wirtschaft und Finanzen.

 

Beitragsbilder: Penguin Random House (Kay Blaschke), Depositphotos / BiancoBlue

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