Finanzen
Bitcoin zwischen Wall Street und Staatskasse
Lange Zeit galten Kryptowährungen wie Bitcoin als Spielwiese für Technik-Liebhaber und Spekulanten – doch diese Zeiten sind vorbei: Heute investieren auch die größten Finanzdienstleister der Welt Milliardenbeträge in digitale Vermögenswerte. Unternehmen wie BlackRock und Fidelity steigen in den Bitcoin-Markt ein – ein klares Zeichen dafür, dass sich das globale Finanzsystem im Wandel befindet. Und nicht nur das: Auch ganze Staaten freunden sich zunehmend mit der Idee an, auf Bitcoin- statt auf Goldreserven zu setzen. Doch was hat diesen Sinneswandel ausgelöst? Im Interview erklärt Krypto-Experte Harun Taktak, warum wir seiner Meinung nach erst am Anfang einer tiefgreifenden Veränderung des Geldsystems stehen – und wieso im digitalen Zeitalter der Spruch »Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser« so einfach umzusetzen ist wie nie zuvor.
Herr Taktak, immer mehr Finanzdienstleister setzen auf Kryptowährungen. Was hat Ihrer Meinung nach das Interesse von BlackRock oder Fidelity an Bitcoin geweckt?
Interessanterweise sprach der Chef von BlackRock, Larry Fink, vor einigen Jahren noch sehr negativ über Bitcoin. Heute gab er zu, er habe sich getäuscht und ist stolz darauf, dass er sich nun komplett Bitcoin zugewandt hat. Ich denke, es ist oft eine falsche Vorstellung und die Unkenntnis von Bitcoin, die viele daran zweifeln lassen. Oftmals sehen es Finanzdienstleister auch als potentielle Gefahr, denn wenn Menschen ihr Geld zum Beispiel von der Bank nehmen, es in Bitcoin halten und dann höchstwahrscheinlich auch noch exorbitant mehr Gewinne machen, dann hat die Bank nichts mehr davon.
Ich glaube, die Finanzdienstleister haben Bitcoin seit Jahren beobachtet und ihre tiefe Recherche gemacht. Niemand, der sich hundert Stunden mit Bitcoin beschäftigt hat, ist dem noch negativ gegenüber eingestellt. Des Weiteren haben sie erkannt, dass die Welt digitalisiert wird und an dem knappsten Gut der Welt, dem Bitcoin, kein Weg mehr dran vorbeiführt. Sie haben also das Potential und den Nutzen erkannt und wollen natürlich auch davon profitieren. Diese Leute haben mehr Erfahrung, mehr Geld, bessere Berater und mehr Einblick als alle anderen auf der Welt und logischerweise positionieren sie sich bei etwas, was die Welt verändern wird. Man muss sich auch die Frage stellen, wenn solche Größen der Finanzwelt Milliarden, ja bald Billionen investieren, dann könnte etwas dran sein, oder nicht?
Wie schätzen Sie die Risiken für Finanzdienstleister beim Einstieg in Bitcoin ein?
BlackRock, der größte Finanzdienstleister der Welt, würde nie in etwas einsteigen, dass zu riskant ist und wenig Potential hat. Natürlich gehört Bitcoin zu den risikoreichen Assetklassen, wie auch Aktien, ETFs usw. und davon ist sie vermutlich im Moment noch die mit dem größten Risiko. Allerdings sehen sie auch, dass Bitcoin deflationär ist und alle vier Jahre weniger auf den Markt bringt. Somit wird es immer knapper und im Gegenzug steigt das Interesse und somit die Nachfrage von anderen Finanzdienstleistern, Banken, Firmen, die es als Reserve nutzen (Strategy, Metaplanet usw.) und sogar Staaten, die über Staatsreserven nachdenken (USA, El Salvador, Brasilien usw.). Die Chance, dass Bitcoin also gegen Null geht, ist mittlerweile zu gering, aber das Potential, dass es in die Millionen geht, sehr hoch. Es besteht natürlich generell noch eine höhere Volatilität, aber da Finanzdienstleister dieser Größenordnung ihre Investitionen langfristig sehen, ist das kein Problem, ja sogar gut, weil sie bei stark fallenden Kursen genug nachkaufen können, denn Geld ist ohne Zweifel da.
Glauben Sie, dass institutionelle Akteure den Charakter von Bitcoin langfristig verändern könnten?
Das Gute an Bitcoin ist, dass sie das nicht können. Egal wie viele Bitcoin sie besitzen werden, die Kontrolle über Bitcoin haben sie dadurch nicht, sondern diejenigen, die die Nodes (Knotenpunkte) am Laufen haben. Bitcoin ist das digitale Gold und das wird es immer sein. Es wird durch Finanzdienstleister sicherlich schneller zum Mainstream werden und auch schneller wachsen, aber das Grundprinzip von Bitcoin als eigenes und unabhängiges digitales Geld, was man ohne Drittpartei halten und versenden kann, und seine Eigenschaft als knappstes Gut der Welt, macht es einzigartig und dies bleibt auch so.
Auch einige Staaten freundeten sich in den letzten Jahren mit Bitcoin und Co. an. Widerspricht die zunehmende Adaption von Bitcoin durch Staaten und Finanzriesen nicht der ursprünglichen Idee einer dezentralen, staatsunabhängigen Währung?
Bitcoin wird weiterhin dezentral und staatsunabhängig bleiben, selbst wenn jeder Staat der Welt Bitcoin als Reserve einführt. Staaten können Bitcoin nicht kontrollieren oder abschalten. Bitcoin ist dezentral, weil die Nodes auf tausende und abertausende Menschen und Firmen auf der Welt verteilt sind. Es ist nicht relevant, wie viele Bitcoin die Staaten haben, sondern wo die Nodes verteilt sind. Das ist das großartige Prinzip von Bitcoin. Egal was ist, Bitcoin wird am Ende immer der Gewinner sein und damit auch alle, die Bitcoin besitzen. Ich sehe die Adaption von Staaten nicht negativ, sondern eine logische Konsequenz. Für uns Bitcoiner heißt das ohnehin, dass Bitcoin unendlich hoch steigen wird.
Könnten Staaten in Zukunft Bitcoin als Währungsreserve halten – ähnlich wie Gold?
Ja und das tun sie bereits – oder sind dabei es einzuführen. Der erste Staat, der dies begann, war El Salvador. Der Präsident Nayib Bukele sagte damals den Banken den Kampf an und begann, Bitcoin als Staatswährung einzuführen und gleichzeitig Bitcoin als Reserve einzuführen. Seit dieser Zeit ist Bitcoin stark gestiegen und es hat sich für ihn und den kleinen Staat gelohnt. Derzeit sind die USA konkret dabei, eine Staatsreserve neben Gold aufzubauen. Weitere Staaten werden folgen und ich persönlich denke, dass mit dem Eintritt der USA in den Bitcoin-Markt ein Bitcoin-Goldrausch starten wird und alle Staaten nach und nach mehr Bitcoin haben wollen.
Ebenfalls denke ich – und damit bin ich nicht alleine –, dass die Bedeutung von Gold nach und nach abnehmen wird. Was könnte hier der Hauptgrund sein? Meiner Ansicht nach das Vertrauen. Heute müssen wir den Staaten glauben, dass sie die Menge an Gold haben, die sie angeben. Überprüfen lässt sich das kaum oder gar nicht. Niemand weiß genau, wie viel Gold in Fort Knox wirklich liegt. Wir müssen darauf vertrauen, dass das stimmt, was die USA sagen. Bei Bitcoin ist das ganz anders, denn was auf der Blockchain liegt, ist von jedem Menschen auf der Welt jederzeit überprüfbar. Kein Staat kann sagen, dass er 5.000 Bitcoin hält, wenn er es nicht auf der Blockchain beweisen kann. Niemand würde ihm glauben. Andererseits würde jede kleinste Bewegung auf der Blockchain sofort sichtbar sein, das heißt, kein Staat könnte einfach Bitcoin verkaufen, ohne dass es die ganze Welt sieht. Hier braucht es kein Vertrauen, denn es ist überprüfbar. Bei den Bitcoinern gibt es einen Spruch: »Don’t trust. Verify.« Das heißt, vertraue nicht, verifiziere bzw. überprüfe.
Unser Gesprächspartner:
Harun Taktak ist Kryprowährungshändler und gibt zudem sein Wissen über Finanzen auf Social Media weiter.
Bilder: Jan Dreckmann
