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Dr. Vivien Karl: »Ich bin Gründerin, Wissenschaftlerin und Aufklärerin zugleich«

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Dr. Vivien Karl: »Ich bin Gründerin, Wissenschaftlerin und Aufklärerin zugleich«

Seit rund fünf Jahren beschäftigt sich Dr. Vivien Karl mit einem Thema, das für viele Menschen ein großes Tabu ist: der Intimpflege. Sie nahm sich der Sache an, entwickelte eigene Produkte und gründete 2022 zusammen mit Julia Huhnholz die Marke DR. VIVIEN KARL. Uns hat sie im Interview verraten, wie sie das Thema endgültig enttabuisieren will und was ihr als Unternehmerin zu Beginn besonders schwerfiel.

Sie kommen ursprünglich aus der Pharmazie – was hat den Ausschlag gegeben, den Sprung von der Wissenschaft in die Gründung einer eigenen Marke zu wagen?

Ich komme aus einer Apothekerfamilie und habe selbst viele Jahre in der Apotheke gearbeitet. Während meiner Promotion habe ich dort regelmäßig Frauen zu Intimtrockenheit beraten und bin immer wieder nach natürlichen Lösungen gefragt worden. Doch genau das passende Produkt fehlte im Regal. Dieser Widerspruch zwischen einer sensiblen Beschwerde und einem unterentwickelten Produktsegment hat mich nicht mehr losgelassen.

Deshalb habe ich mich irgendwann selbst ins Apothekenlabor gestellt und eine erste Rezeptur entwickelt, die sowohl meinen wissenschaftlichen Ansprüchen als auch den Bedürfnissen der Frauen gerecht wurde. Als ich gesehen habe, wie gut diese Creme den Betroffenen half, war für mich klar: Das muss größer gedacht werden.

Ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg von der Wissenschaftlerin zur Gründerin war meine Teilnahme an einem Berliner Accelerator. Dort habe ich das erste Mal erlebt, wie viel Energie entsteht, wenn man medizinische Expertise mit unternehmerischem Denken verbindet. Der Accelerator hat mir das nötige Wissen und Selbstvertrauen gegeben, um meine Lösung in eine eigene Marke zu transformieren. So ist DR. VIVIEN KARL entstanden: aus einem sehr konkreten Bedarf, einem wissenschaftsbasierten Ansatz und dem Wunsch, weibliche Intimgesundheit ernst zu nehmen und sichtbar zu machen.

Mit Ihrer Marke sprechen Sie ein Thema an, das lange tabuisiert war: Intimgesundheit. Wie haben Sie das richtige Maß zwischen medizinischer Seriosität und marktfähiger Kommunikation gefunden?

Das Spannungsfeld zwischen medizinischer Seriosität und moderner Markenkommunikation ist groß, aber genau darin liegt unsere Stärke. Für mich steht die wissenschaftliche Fundierung immer an erster Stelle. Als promovierte Apothekerin entwickle ich alle Produkte auf Basis hochwertiger, natürlicher und evidenzbasierter Inhaltsstoffe.

Gleichzeitig ist es uns wichtig, Intimpflege positiv zu besetzen. Unsere Produkte sollen nicht versteckt werden, sondern denselben Anspruch an Ästhetik erfüllen wie hochwertige Gesichtspflege. Intimgesundheit darf schön sein, modern, sichtbar und gleichzeitig vertrauenswürdig.

Unsere Kommunikation folgt deshalb drei Prinzipien: klar, auf Augenhöhe und enttabuisierend ohne Effekthascherei. Wir brechen Tabus, aber nie um ihrer selbst willen. Wir klären auf, adressieren sensible Themen offen und sachlich und schaffen dadurch Vertrauen, sowohl bei Kundinnen als auch bei Ärztinnen, Ärzten und Apotheken. Diese Balance hat uns erlaubt, eine Kategorie neu zu definieren, die lange im Schatten stand.

Die Pre-Seed-Finanzierung mit über einer Million Euro zeigt Vertrauen in Ihr Konzept. Wie sind Sie an die Investoren herangetreten – und was war entscheidend, um sie zu überzeugen?

Wir haben sehr früh auf Sichtbarkeit gesetzt. Auf Branchenevents, Netzwerktreffen und durch den aktiven Austausch mit anderen Gründerinnen und Gründern. Unser Netzwerk war dabei ein entscheidender Hebel. Über Better Ventures, einem investierenden Angel-Netzwerk, und erste Angels haben wir Zugang zu großartigen Investorinnen und Investoren bekommen. Eine unserer frühesten Unterstützerinnen war Tina Müller, deren Begeisterung für unser Produkt viele weitere Türen geöffnet hat.

Überzeugt haben am Ende drei zentrale Punkte:

  1. Ein klarer medizinischer Bedarf: 14 Millionen Frauen in Deutschland leiden unter Intimtrockenheit, ergo die Nachfrage ist enorm.
  2. Ein wissenschaftlich fundiertes Produkt, das in der Praxis bereits Wirkung zeigt: Unsere ersten Anwenderinnen und Gynäkologinnen und Gynäkologen waren ein starkes Proof of Concept.
  3. Eine Marke, die Vertrauen schafft: Die Kombination aus Apothekerin als Gründerin, klinischer Perspektive und hochwertiger Markenästhetik war ein Alleinstellungsmerkmal.

Hinzu kommt, dass wir kein reines D2C-Unternehmen sind. Unser hybrider Ansatz – Webshop, Apotheken, medizinische Empfehlungen – hat vielen Investorinnen und Investoren Sicherheit gegeben. Dieses Zusammenspiel aus Evidenz, Marktpotenzial und Markenvision war letztlich ausschlaggebend.

Was waren rückblickend die schwierigsten unternehmerischen Entscheidungen im Aufbau Ihrer Marke – und was würden Sie heute anders machen?

Finanzierungsrunden waren definitiv eine unserer größten Herausforderungen. Sie sind zeitintensiv, ziehen Fokus aus dem Tagesgeschäft und verlangen klare Priorisierung. Außerdem kamen wir früh in Kontakt mit großen Pharmaunternehmen, die unser Handeln sehr genau beobachtet haben und rechtlichen Druck aufgebaut haben.

Eine weitere Herausforderung war es, in der schnelllebigen Start-up-Welt meinen eigenen Werten treu zu bleiben. Gerade als First-Time-Founder fühlt man sich am Anfang oft zwischen Erwartungen, Wachstumsideen und eigenen Überzeugungen hin- und hergerissen. Die Klarheit darüber, wofür unsere Marke steht – wissenschaftliche Qualität, natürliche Inhaltsstoffe, Ästhetik und Aufklärung – war ein entscheidender Kompass.

Deshalb würde ich jetzt auch noch früher auf eine klarere Strategie gehen. Am Anfang läuft vieles intuitiv, aber nachhaltiges Wachstum braucht klare Prozesse, Verantwortlichkeiten und ein Team, das mitwächst.

Wie sehen Sie Ihre Rolle: Sind Sie mehr Gründerin, Produktentwicklerin oder Aufklärerin – und wie wollen Sie die Marke in den nächsten Jahren weiterentwickeln?

Ich bin Gründerin, Wissenschaftlerin und Aufklärerin zugleich und genau diese Dreifaltigkeit prägt DR. VIVIEN KARL. Die Produktentwicklung ist mein Herzstück: Ich möchte Lösungen schaffen, die Frauen wirklich helfen und wissenschaftlich fundiert sind. Gleichzeitig sehe ich es als meine Verantwortung, Intimgesundheit in den gesellschaftlichen Diskurs zu bringen. Zu viele Frauen leiden still und das möchte ich ändern.

Für die nächsten Jahre haben wir eine klare Vision:

  • Wir wollen die erste Adresse für ganzheitliche Intimgesundheit werden.
  • Wir bauen ein Portfolio auf, das den gesamten weiblichen Lebenszyklus abdeckt.
  • Wir stärken unser Netzwerk aus Ärztinnen, Ärzten und Apotheken weiter.
  • Und wir schaffen noch mehr Aufklärung: offen, modern und fundiert.

Wenn ich meine Rolle in einem Satz beschreiben müsste: Ich bin eine Gründerin, die Wissenschaft in Produkte übersetzt und Tabus in Aufklärung.

 

Bild: Sophie Feist

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