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Innovationsagenda 2030: Deutschlands Gründerökosystem soll Fahrt aufnehmen

Deutschland hat eigentlich alles, was ein starkes Start-up-Land braucht: Spitzenforschung, talentierte Köpfe und reichlich Kapital. Doch viel davon kommt in der Praxis nicht bei den Gründern an. Genau hier setzt die »Innovationsagenda 2030« des Bundesverband Deutsche Startups an. Mehr als hundert Experten haben daran mitgearbeitet, um ein Zukunftspapier zu formulieren, das die Politik wachrütteln und dem Gründerstandort endlich die Struktur geben soll, die er verdient. Verbandschefin Verena Pausder bringt es auf den Punkt: Die Zutaten sind alle da – nur das Rezept für die Zukunft fehlt.

Ein Schwerpunkt der Agenda ist der Kampf um Talente. Deutsche Start-ups verlieren im globalen Wettbewerb oft allein deshalb, weil Verfahren zu langsam, Behördenstrukturen zu zersplittert und Sprachbarrieren zu hoch sind. Wer heute internationale Fachkräfte einstellen will, braucht vor allem Geduld. Die Agenda fordert deshalb digitale Visa-Verfahren, ein zentrales Migrationsministerium und Englisch als zweite Amtssprache. Hinzu kommen steuerliche Erleichterungen für Zugewanderte, die bereits beschlossen sind, sowie eine deutlich einfachere Anerkennung ausländischer Abschlüsse. Start-ups sollen hier selbst bescheinigen dürfen, dass eine Qualifikation für einen Job ausreichend ist – ein pragmatischer Ansatz, der viel Bürokratie einsparen würde.

Auch beim Thema Finanzierung sieht der Verband enormen Nachholbedarf. Während Länder wie die USA seit Jahren zeigen, wie wichtig ein intaktes Ökosystem aus privatem und institutionellem Kapital ist, wird in Deutschland riesiges Potenzial nicht genutzt. Versicherer und Pensionskassen verwalten zusammen über zweieinhalb Billionen Euro – investieren aber kaum direkt in Start-ups. Eine einzige Stellschraube könnte also enorme Wirkung entfalten. Mit der WIN-Initiative hat die Bundesregierung hier bereits erste Bewegung ausgelöst, doch die Agenda fordert deutlich mehr Mut. Venture Capital soll transparenter werden, damit sich auch Kleinanleger stärker beteiligen können, und Europa braucht endlich funktionierende Exit-Kanäle. Allein in den vergangenen Jahren sind durch Börsengänge europäischer Firmen in den USA hunderte Milliarden Euro an Wertschöpfung abgewandert. Eine echte Kapitalmarktunion wäre ein entscheidender Schritt, um diesen Trend zu stoppen.

Parallel dazu soll der Staat selbst zum Innovationstreiber werden. Der Verband argumentiert klar: Wenn Behörden selbst modern und digital arbeiten würden, müsste sich kein Start-up mehr durch endlose Verfahren kämpfen. Öffentliche Aufträge sollten deshalb stärker an junge Unternehmen gehen – mindestens fünf Prozent bis 2030. Dafür braucht es modernere Vergaberegeln und klare Verantwortlichkeiten, etwa in Form eines staatlichen Chief Digital Officer. Die EU geht bereits voran und plant erstmals eine eigene Startup-Kommissarin, die strategisch in Schlüsseltechnologien investieren soll.

Besonders weitreichend sind die Ziele im Bereich Deep Tech und Climate Tech. Bis 2030 soll Deutschland hier führend werden und mindestens 30 neue Unicorns hervorbringen, die globale Probleme wie Energieknappheit, Ressourcenverbrauch oder KI-Infrastruktur lösen. Damit das gelingt, will die Agenda mehr Kapital in die besonders kostenintensiven Geschäftsmodelle lenken, etwa über einen ausgebauten Deep Tech und Climate Fonds. Hochschulen sollen zudem verpflichtet werden, mindestens ein Prozent ihres Budgets in Ausgründungen und Technologietransfer zu investieren – denn zwischen Spitzenforschung und marktreifen Geschäftsmodellen klafft in Deutschland seit Jahren eine Lücke.

Trotz aller Forderungen ist bereits Bewegung spürbar. Digitale Visa-Verfahren kommen, steuerliche Vorteile für internationale Fachkräfte sind beschlossen, Versicherer und Banken haben erstmals zugesagt, massiv Geld in Venture Capital zu lenken. Wenn die Politik die Innovationsagenda 2030 ernst nimmt, könnte Deutschland seinen Rückstand gegenüber den USA und anderen Vorreitern deutlich verkleinern. Das Papier zeigt jedenfalls eines: Das Potenzial ist da – und es ist höher, als viele glauben.

SK

Beitragsbild: Depositphotos / phontonphoto

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