Unternehmen
Sicher durch stürmische Zeiten! Ein »Interim-Lotse« erklärt, was jetzt zu tun ist
Braucht es einen Kurswechsel? Diese Frage beschäftigt derzeit viele Unternehmer. Immerhin haben KI, Corona und geopolitische Krisenherde den Mittelstand in den letzten Jahren vor große Herausforderungen gestellt. Jetzt heißt es, sicher durch die aufgewühlte See zu steuern. Doch wie? Das weiß Tobias Bobka. Seit 13 Jahren unterstützt der Experte als Berater, Trainer, Sparringspartner und Interim-Manager Mittelständler dabei, die Chancen in der Krise zu sehen und zu ergreifen. Wie er Unternehmen wieder in sicheres Fahrwasser bringt, hat er uns im Interview erzählt.
Herr Bobka, Sie unterstützen Unternehmer in Umbruchsituationen. Mit welchen typischen Herausforderungen sieht sich der Mittelstand derzeit konfrontiert?
Der Mittelstand steht vor enormen Herausforderungen, die sich aus der Dynamik der sogenannten VUCA-Welt (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) ergeben. Der Mittelstand steht heute inmitten eines Spannungsfelds aus technologischen Umbrüchen, globaler Unsicherheit und zunehmender Marktkomplexität. Hinzu kommt eine oft unklare Informationslage, die Entscheidungen erschwert. Viele Unternehmen kämpfen mit der Geschwindigkeit, mit der sich Rahmenbedingungen verändern. Ob durch disruptive Technologien, sich wandelnde Kundenansprüche oder unvorhersehbare geopolitische Ereignisse – die Fähigkeit, schnell und entschlossen auf neue Entwicklungen zu reagieren, wird zur zentralen Überlebensfrage.
Hinzu kommen Herausforderungen, die oft im Verborgenen wirken: Eine fehlende Diversifikation des Geschäftsmodells, Abhängigkeiten von wenigen Schlüsselkunden oder eine mangelnde Vorbereitung auf Krisensituationen. Unternehmen reagieren zu spät auf frühe Warnsignale wie sinkende Marktanteile, schwache Liquiditätsentwicklungen oder interne Effizienzverluste. Ein Beispiel: Viele Unternehmen im Mittelstand agieren noch stark produktzentriert, während Kunden zunehmend hybride Dienstleistungen oder digitale Ergänzungen erwarten. Diese Diskrepanz führt zu Umsatzrückgängen und einem schleichenden Verlust der Wettbewerbsfähigkeit, wenn nicht proaktiv gehandelt wird. Gerade hier zeigt sich, wie essenziell ein erfahrener Sparringspartner ist, der nicht nur hilft, Risiken zu minimieren, sondern auch Chancen proaktiv zu nutzen. Das ist der Grund, warum ich viele Entscheider mich auf der Kurzwahl ihres Smartphones gespeichert haben.
Gerade im Mittelstand zeigt sich, wie wichtig ein präventiver Umgang mit Risiken ist. Ein Beispiel, das ich häufig beobachte, ist das Fehlen von Frühwarnsystemen. Viele Unternehmen unterschätzen die Bedeutung der Risikovorsorge. Stakeholder-Krisen, Produktabsatzkrisen oder gar Ertrags- und Liquiditätskrisen werden häufig zu spät erkannt. Gerade der Verlust eines Großkunden, Zahlungsausfälle oder gar eine Insolvenz im Lieferantenkreis können schnell in existenzielle Schwierigkeiten führen. Spätestens seit 2021 sind Unternehmenslenker, also insbesondere Geschäftsführer mittelständischer Unternehmen, gemäß den regulatorischen Vorgaben des StaRUG sogar gesetzlich verpflichtet, ein effektives Risikomanagement und Frühwarnsysteme zu implementieren.
Dennoch fehlt es häufig an rollierenden 13-Wochen-Liquiditätsplanungen, Penetration Tests oder Kriseninterventionsplänen, die beispielsweise Szenarien wie einen 30 prozentigen Umsatzeinbruch oder den Wegfall von Top-Kunden berücksichtigen. Eine strategische Frühwarnung ist jedoch essenziell, um schnell und agil reagieren zu können. Hier setzt meine Arbeit an: Unternehmern zu helfen, nicht nur stabil durch den Sturm zu navigieren, sondern dabei auch Chancen zu erkennen. Ohne regelmäßige Liquiditätsprognosen oder eine kontinuierliche Markt- und Wettbewerbsanalyse bemerken viele Unternehmen erst spät, dass sie sich in einer strategischen Sackgasse befinden. Doch neben diesen strukturellen Problemen tritt eine weitere Ebene in den Vordergrund: Die Anforderungen an Führungskräfte haben sich in den letzten Jahren fundamental verändert. Während früher Stabilität und Prozessorientierung gefragt waren, stehen heute Agilität, Kommunikation und die Fähigkeit, komplexe Veränderungen aktiv zu gestalten, im Mittelpunkt.
In diesem Kontext ist es essenziell, ein agiles Mindset zu entwickeln. Change Leadership sollte vor traditionellem Change-Management stehen, um die notwendige Flexibilität im Denken und Handeln zu gewährleisten. Gerade in mittelständischen Unternehmen, die stark von der Persönlichkeit ihrer Führung geprägt sind, bedeutet dies oft einen tiefgreifenden Kulturwandel. Transparente Kommunikation, interdisziplinäre Teams und die Förderung von Eigenverantwortung sind entscheidend, um die Veränderungskompetenz innerhalb des Unternehmens zu stärken.
Lebenslanges Lernen und die Bereitschaft, bestehende Geschäftsmodelle zu hinterfragen, tragen dazu bei, die Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten und Innovationen voranzutreiben. Es geht auch darum, nicht nur operative Exzellenz zu fördern, sondern zugleich strategische Klarheit zu schaffen und die Belegschaft auf die Reise mitzunehmen. Dies erfordert Mut, Flexibilität und ein starkes Gespür für die individuellen Stärken und Schwächen des eigenen Unternehmens.
Wann ist erfahrungsgemäß der richtige Zeitpunkt, um einen Unternehmensberater oder Interim Manager hinzuzuziehen? Gab es bereits Situationen in Ihrer Laufbahn, in denen Sie nicht (mehr) helfen konnten?
Der richtige Zeitpunkt, um externe Unterstützung hinzuzuziehen, ist oft früher, als viele Unternehmer denken! Ein erfahrener Berater wird dann gebraucht, wenn es darauf ankommt, Weichen neu zu stellen – und zwar bevor die Kontrolle verloren geht. Doch die Realität sieht oft anders aus: Viele Unternehmer holen Unterstützung erst, wenn der »Druckkochtopf« fast explodiert.
Sobald erste Anzeichen für strategische oder operative Herausforderungen sichtbar werden, sollte gehandelt werden. Diese Anzeichen können subtil sein – ein schleichender Rückgang der Margen, interne Spannungen oder ein plötzlicher Anstieg von Kundenreklamationen.
Doch je früher ein Unternehmen eingreift, desto größer sind die Handlungsspielräume. In solchen Momenten ist externe Expertise entscheidend, um unvoreingenommen auf die Herausforderungen zu blicken und präzise Lösungen zu erarbeiten.
Ich erinnere mich an einen Fall in der Konsumgüterindustrie: Ein Unternehmen hatte über Jahre hinweg seine Kernkunden aus dem Blick verloren und sich auf zu viele neue Zielgruppen fokussiert, was zu einem massiven Margenverlust führte. In meiner Rolle als Sparringspartner kombiniere ich strategische Weitsicht mit operativer Umsetzungsstärke.
Dabei bringe ich nicht nur die Expertise aus über 20 Jahren Führungserfahrung ein, sondern auch ein tiefes Verständnis für die besonderen Herausforderungen mittelständischer Strukturen. Für mich steht dabei stets die Frage im Vordergrund: Wie kann aus einer scheinbar bedrohlichen Veränderung eine Wachstumschance entstehen? Wir konnten die Situation durch eine gezielte Neukundenstrategie und die Straffung des Produktportfolios stabilisieren. Aber es gibt auch Grenzen.
Was passiert, wenn es zu spät ist?
Ja, es gibt Fälle, in denen selbst ich nicht mehr helfen konnte. Wenn beispielsweise die Liquidität vollkommen ausgeschöpft ist und keine Finanzierungsoptionen mehr bestehen, bleibt nur die geordnete Abwicklung. Mein Ansatz in solchen Situationen ist klar: Ich agiere immer ehrlich und transparent, auch wenn das bedeutet, unbequeme Wahrheiten auszusprechen. In diesen eher seltenen Fällen geht es um professionelle Schadensbegrenzung.
Solche Situationen verdeutlichen, wie entscheidend es ist, frühzeitig zu handeln. Führungskräfte im Mittelstand unterschätzen häufig die Wirkung externer Expertise, vor allem wenn es darum geht, das Unternehmen aus einer emotional aufgeladenen Situation heraus sachlich zu analysieren und neue Wege aufzuzeigen. Es ist keine Schwäche, sich Unterstützung zu holen – vielmehr zeigt es Weitblick und Verantwortungsbewusstsein.
Ich vergleiche meine Arbeit gerne mit der eines Lotsen: Ich werde gerufen, wenn das Unternehmen sich in unruhigen Gewässern befindet und eine klare, entschlossene Navigation benötigt. Typische Einsatzszenarien sind Restrukturierungen, Sanierungen, Führungswechsel auf C-Level oder die Vorbereitung eines Unternehmensverkaufs. Und auch, das wird in der Öffentlichkeit völlig verkannt, in anspruchsvollen Wachstumsphasen, wo die strukturierte Steuerung des Unternehmens besondere Gesetzmäßigkeiten aufweist, die einer speziellen langjährigen Expertise bedarf, die des Interim-Lotsen.
Vom ersten Kontakt bis zur Lösung: Welche Schritte unternehmen Sie, um Ihre Klienten zu unterstützen? Kann es überhaupt ein standardisiertes Vorgehen geben?
Jeder Beratungsprozess beginnt mit Zuhören und Verstehen. Der erste Schritt ist eine umfassende Bestandsaufnahme, die nicht nur auf Zahlen und Daten basiert, sondern auch die kulturellen und strukturellen Besonderheiten des Unternehmens berücksichtigt. Hierbei schaue ich nicht nur auf offensichtliche Probleme, sondern auch auf unterschwellige Muster – etwa wiederkehrende Konflikte im Team, ineffiziente Prozesse oder nicht genutzte Marktpotenziale. Diese Analyse bildet die Grundlage für einen Maßnahmenplan, der klar priorisiert und gleichzeitig flexibel genug ist, um auf unvorhergesehene Entwicklungen zu reagieren. Standardisierte Ansätze haben dabei ihre Grenzen, denn jedes Unternehmen ist einzigartig. Mein persönlicher Ansatz ist daher klar strukturiert, aber immer individuell auf den Kunden zugeschnitten.
Dabei gibt es bewährte Werkzeuge, die Orientierung bieten: Tools wie OKR helfen dabei, messbare Ziele zu setzen und diese in konkrete Maßnahmen zu übersetzen. Entscheidend ist jedoch, dass die Umsetzung nicht am Whiteboard endet. Für mich bedeutet Beratung immer auch, Verantwortung zu übernehmen – sei es durch die Leitung von Projekten oder die Übernahme einer interimistischen Rolle im Unternehmen, beispielsweise in Organschaft als Geschäftsführer oder Vorstand auf Zeit mit vollumfänglicher Verantwortung für den Change Prozess. Der Fokus liegt dabei stets auf der nachhaltigen Verankerung der Maßnahmen, damit die Organisation langfristig selbstständig agieren kann. Nach der Umsetzung folgt eine Phase der Erfolgskontrolle und Nachjustierung. Denn Veränderungsprozesse sind selten linear, sondern erfordern ständige Aufmerksamkeit und Anpassungsfähigkeit. Was mich dabei besonders motiviert, ist zu sehen, wie Unternehmen nicht nur Krisen meistern, sondern daraus gestärkt hervorgehen.
Ein Interim-Manager benötigt Einblicke in die Vorgänge des Unternehmens. Das setzt Vertrauen voraus. Welche Kriterien können Unternehmer anlegen, um einen geeigneten und seriösen Experten zu finden?
Das Fundament jeder erfolgreichen Zusammenarbeit ist Vertrauen. Vertrauen entsteht durch Transparenz, Kompetenz und die Fähigkeit, in schwierigen Momenten Ruhe auszustrahlen. Unternehmer sollten bei der Auswahl eines Interim-Managers auf drei Dinge achten: Erfahrung, Ergebnisorientierung und persönliche Integrität.
Erfahrung zeigt sich nicht nur in der Anzahl der Jahre, sondern vor allem in der Bandbreite der bewältigten Herausforderungen. Ein guter Interim-Lotse bringt nicht nur branchenübergreifende Fachexpertise, sondern auch die Fähigkeit mit, in kürzester Zeit belastbare Entscheidungen zu treffen und diese konsequent umzusetzen. Er bringt auch die Fähigkeit mit, in kürzester Zeit die zentralen Stellhebel eines Unternehmens zu identifizieren und diese gezielt zu bewegen. Nachweisbare Ergebnisse sind ebenso wichtig: Sie geben Einblick, wie der Experte in vergleichbaren Situationen gehandelt hat und welchen Mehrwert er tatsächlich geschaffen hat.
Ich werde häufig von meinen Kunden als »sturmerfahrener Firefighter« bezeichnet – ein Titel, der meine Arbeit treffend beschreibt. Meine besondere Stärke liegt in der Kombination aus C-Level-Erfahrung mit Fokus auf den Wachstumsmotor Vertrieb, fundiertem kaufmännischen Sachverstand und operativer Restrukturierungsexpertise. Dies ermöglicht es mir, auch in schwierigsten Situationen kühlen Kopf zu bewahren und Entscheidungen zu treffen, die sowohl kurzfristige Stabilität als auch langfristiges Wachstum sichern.
Doch am entscheidendsten ist die persönliche Chemie. Ein Interim-Manager oder auch Executive Consultant und damit Interim-Lotse muss nicht nur fachlich überzeugen, sondern auch das Vertrauen der Belegschaft gewinnen. Ein Interim-Manager arbeitet oft in Extremsituationen. Hier sind Kommunikationsstärke, Empathie und die Fähigkeit, Teams mitzunehmen, entscheidend. Kunden schätzen an mir besonders, dass ich Klartext rede, dabei aber immer motivierend bleibe. Das erfordert auch die Bereitschaft, sich schnell in die Kultur eines Unternehmens einzufühlen. Unternehmer können diese Kriterien prüfen, indem sie Referenzen einholen, das Gespräch suchen und darauf achten, ob der Manager mehr zuhört als spricht. Denn nur wer bereit ist, die Perspektive des Unternehmens wirklich zu verstehen, kann Veränderungen gestalten, die Bestand haben.
Unser Gesprächspartner:
Tobias Bobka ist Managing Partner der BOBKA Mittelstandsberatung.
Hier ist der Umsetzungsprofi – wie er von seinen Kunden bezeichnet wird – als Berater, Trainer und Interim-Lotse tätig.
Beitragsbilder: Johannes Meger
AS (L)