Die Menschen in Deutschland trinken immer weniger Bier. Im ersten Halbjahr 2025 haben die deutschen Brauereien so wenig alkoholhaltiges Bier im In- und Ausland abgesetzt wie noch nie seit Einführung der Statistik im Jahr 1993, berichtet das Statistische Bundesamt. Nicht nur kleine Handwerksbetriebe, sondern auch etablierte Marktführer sehen sich mit einem strukturellen Rückgang des Bierabsatzes konfrontiert, der nunmehr existenzielle Entscheidungen erfordert. Stefan Blaschak, Geschäftsführer der bayerischen Brauerei Oettinger, formuliert im Gespräch mit der »Augsburger Allgemeinen« eine drastische Prognose: »Die Brauereien werden wie Fliegen von der Wand fallen.«
Die Zahlen untermauern die Krise: Der Gesamtmarkt brach in diesem Jahr um 7 bis 7,5 Prozent ein – ein echter Erdrutsch im Vergleich zu den bisherigen jährlichen Rückgängen von 2 bis 3 Prozent. Besonders alarmierend ist der Inlandsabsatz: Im ersten Halbjahr 2025 gingen rund 2,6 Millionen Hektoliter verloren, was etwa drei Millionen Dosen Bier pro Tag entspricht.
Auch große Brauereien bleiben von dieser Entwicklung nicht verschont. Laut dem Hopfenhändler BarthHaas verzeichneten fünf der sechs größten Brauereien Deutschlands 2024 Produktionsrückgänge. Oettinger selbst musste besonders starke Einbußen hinnehmen; der Absatz sank laut eines Berichts der Bild auf ein Niveau, das zuletzt vor über 20 Jahren erreicht wurde.
Die deutsche Brauwirtschaft steht damit vor einer Zeitenwende. Es geht nicht mehr nur um das Überleben von Nischenbetrieben, sondern um die strategische Neuausrichtung ganzer Konzerne. Flexibilität, Effizienz und die Fähigkeit, sich an veränderte Konsumgewohnheiten anzupassen, werden entscheidend sein. Während der Gesamtmarkt schrumpft, entwickeln sich alkoholfreie Biervarianten zum wichtigsten Wachstumsträger der Branche. Wie das Statistische Bundesamt berichtet, wurde im vergangenen Jahr mit 579 Millionen Litern fast doppelt so viel alkoholfreies Bier produziert wie noch vor zehn Jahren. Dieser Segmentzuwachs zeigt, dass Brauereien mit innovativen Produktangeboten weiterhin Marktpotenziale erschließen können.
Ebenfalls im Aufwind befinden sich alkoholreduzierte Mischgetränke wie Radler, die seit 2014 ein Plus von 9,3 Prozent auf 364 Millionen Liter verzeichnen konnten. Damit bestätigt sich der Trend zu bewussterem Konsum und geschmacklicher Vielfalt – auch wenn das Wachstum in diesem Bereich moderater ausfällt.
Für die Brauwirtschaft bedeutet dies: Wer langfristig wettbewerbsfähig bleiben will, muss in Produktinnovation und Diversifizierung investieren. Alkoholfreie und variantenreiche Sorten werden zunehmend zur strategischen Schlüsselkomponente – nicht nur als Nischenprodukt, sondern als wesentlicher Teil der Portfolioausrichtung.
MK
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