Aktuelles
Luis Säger: Im E-Commerce steht oder fällt eine Brand mit der Nische
Der Onlinehändler Luis Säger erklärt im Interview unter anderem, warum die Nische im E-Commerce so wichtig ist, wieso es nicht schaden kann, sich mit den eigenen Produkten auseinanderzusetzen und wieso schlechte Bewertungen gutes Feedback sind.
Wie wichtig ist es, im E-Commerce eine Nische zu finden?
Meiner Meinung nach ist eine gute Nische das A und O. Mit ihr fällt oder steht eine Brand. Wenn das Produkt bzw. die Nische aktuell nicht gefragt ist, wird es schwierig, profitabel zu skalieren. Ich bin kein Fan davon, von einem Produkt zum nächsten zu springen und zu versuchen, ein »Viral Product« zu finden.
Wenn ich einen Trend im Markt erkenne und eine gewisse Nachfrage sehe, suche ich nach Produkten innerhalb dieser Nische, die sich bereits erfolgreich verkaufen lassen, und baue um diese Produkte meine Brand auf. Ich gehe weg vom »Viral Product«, hin zur »Viral Brand« und platziere diese im Markt. Mein Shop kann noch so gut strukturiert und professionell sein – wenn die Nachfrage nicht stimmt, wird es schwierig, genügend Verkäufe zu erzielen. Ich würde deshalb immer empfehlen, ausreichend Zeit in eine zielorientierte Marktanalyse zu investieren.
Sie haben Ihre Nische in erster Linie im Kunstbereich besetzt. Warum haben Sie sich trotz fehlenden Vorwissens dafür entschieden?
Richtig, meine zwei größten Brands sind im Kunstbereich angesetzt. Das liegt unter anderem an meiner Leidenschaft für die Kunst. Damit will ich nicht sagen, dass ich ein großes Vorwissen habe, aber ich interessiere mich dafür. Zudem hat die Situation im Markt gepasst, was einen Grundbaustein für eine erfolgreiche Brand darstellt. Für mich ist es immer hilfreich, wenn ich mich für meine Nische interessiere. Das liegt daran, dass ich viele Stunden in den Shop investieren muss, um die Brand auch wirklich erfolgreich auf internationaler Ebene zu platzieren.
Zudem ist es wichtig, dass man sich mit den Produkten auseinandersetzt. Das heißt, ich muss mit den Köpfen der Kunden denken und die Aspekte ansprechen, die sie hören wollen, um bestimmte Handlungen auszuführen. Hier spreche ich von den Eigenschaften eines Produkts, die am Ende des Tages den kleinen Unterschied zu anderen Produkten der gleichen Nische ausmachen. Man sollte viel recherchieren, um zu verstehen, was Kunden bei anderen Brands aus derselben Nische bemängeln. Oft werden bestimmte Merkmale übersehen, weil Brandowner sich täglich mit dem Produkt beschäftigen. Der Kunde sieht deine Produkte aber zum ersten Mal und muss von der ersten Sekunde an verstehen, was er von diesem Produkt hat und ob es seinen Anforderungen gerecht wird. Der Mehrwert für den Kunden zählt.
Heißt das, spezifische Vorerfahrungen oder Expertenwissen braucht es nicht?
Expertenwissen und spezifische Vorerfahrungen sind optional. Es ist gut, wenn man ein bestimmtes Vorwissen mitbringt, das ist aber definitiv kein Muss. Wir haben durch das Internet die Möglichkeit, auf unendlich viele Informationen zugreifen zu können. Wissen kann sich jeder selbst durch eine detaillierte, strukturierte Recherche aneignen.
Es fällt mir leichter, Fußballschuhe zu verkaufen, wenn ich selbst Fußball spiele. Ich weiß dann nämlich, worauf ich achten muss, wenn ich mir selbst Fußballschuhe kaufe und welche negativen Erfahrungen ich in der Vergangenheit gemacht habe. Ich kann mich leichter in die Käufer von Fußballschuhen hineinversetzen als jemand, der kein Fußball spielt. Dennoch hat eine Person ohne Vorerfahrung die Möglichkeit, sich Wissen in bestimmten Foren oder auf spezifischen Webseiten anzueignen. Deshalb ist es wichtig, dass ich ein gewisses Interesse an meiner Nische habe.
Wie stehen Sie zu der weit verbreiteten Ansicht, jeder könne im E-Commerce ein profitables Business aufziehen?
Ich bin der festen Überzeugung, dass jeder im E-Commerce ein profitables Business aufziehen kann. Letztendlich bin ich auch ohne jegliches Vorwissen im E-Commerce gestartet. Ich finde, dass die meisten Starter zu schnell aufgeben. Es ist ganz selten, dass der erste Shop direkt ein Volltreffer wird. Damit will ich nicht sagen, dass es unmöglich ist, aber definitiv nicht die Regel. Anfänglich passieren einfach Fehler. Diese können sich negativ auf die Conversion-Rate auswirken. Deshalb empfehle ich immer, wenn möglich von Anfang an mit einem Spezialisten zu arbeiten, um diese Fehler zuvermeiden.
Das Wissen in Bereichen wie Design oder Marketing kommt Step-by-Step. Dafür ist kein Studium nötig, sondern nur Selbstdisziplin und Engagement. Ausprobieren, Hinfallen, Aufstehen und weiter machen. Ich habe außerdem oft gesehen, dass sich viele Beginner zwar vornehmen zu starten, aber nie richtig starten. Sie warten immer auf den perfekten Moment. Diese perfekten Momente gibt es nicht. Man muss einfach anfangen und 100 Prozent geben.
Was sollte man denn können, um den Einstieg in den E-Commerce zu schaffen?
Wichtig ist, dass man zielorientiert und konstant arbeitet. Niemand kann gleich zu Anfang alles wissen. Es ist ganz natürlich, dass nicht alles perfekt ist und Hürden auf einen zukommen. Man muss einfach immer weitermachen. Grundsätzlich braucht man so gut wie kein Vorwissen, um einen Einstieg in den E-Commerce zu schaffen. Natürlich ist eine gewisse Neugierde für die Themenbereiche rund um Webseiten, Design, Marketing und Businessaufbau von Vorteil. Ich habe mir auch anfangs vieles von meinem aktuellen Wissen über Videos und Artikel angeeignet. Mit der Zeit kommen dann die wichtigen Erfahrungen hinzu, die den Unterschied ausmachen.
Wenn ich eine neue Brand aufbauen will, muss ich mich hauptsächlich um den Webseitenaufbau, die Design- und Werbegestaltung sowie Marketingplanung und -analyse kümmern. Das alles kann sich aber jeder selbst beibringen. Man muss hier lediglich die Entscheidung treffen, ob man mehr Zeit investieren möchte und sich dasWissen selbst zusammensucht, oder ob man sich direkt einen Experten an die Hand nimmt.
Der Aufbau einer Brand verläuft immer nach der gleichen Struktur, nur das Produkt verändert sich. Sobald dieGrundbausteine und die Struktur einmal verstanden wurden, werden nur noch einzelne, kleine Variablen ausgetauscht.
Ist E-Commerce ein Geschäft für Einzelkämpfer, die sich im digitalen Haifischbecken durchsetzen wollen? Oder gibt es auch Situationen, in denen man teamfähig sein sollte?
Anfangs ist man erst einmal auf sich alleine gestellt. Das liegt daran, dass die Aufgaben zu Beginn überschaubar sind. Ich finde es gut, wenn jeder Bereich des eigenen Business einmal selbst durchlaufen wurde, um zu verstehen, wie bestimmte Handlungen vorgenommen werden. Das hilft später, Mitarbeiter besser verstehen zu können, um vorhandene Probleme schneller zu lösen.
Sobald die Brand wächst, wachsen auch die einzelnen Unternehmensbereiche. Ab einem bestimmten Punkt muss man lernen, verschiedene Aufgaben abzugeben, um sich auf die wichtigsten Aspekte konzentrieren zu können. Einer der ersten Bereiche, der häufig abgegeben wird, ist der Kundensupport. Das liegt daran, dass mit steigendem Umsatzvolumen mehr Kundennachfragen entstehen und es viel Zeit in Anspruch nimmt, die Kunden vollständig zufriedenzustellen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt sollte man lernen, im Team zu arbeiten und dies auch zu führen.
Bekommen Sie »Spitzen« Ihrer Konkurrenz zu spüren?
Natürlich haben wir die eine oder andere Situation, in der man die Konkurrenz spürt. Ich sehe das aber eher positiv, da ich dadurch noch mehr motiviert werde, das Auftreten der Brand zu perfektionieren und täglich besser zu werden. Konkurrenz ist in gewissem Maße ziemlich gesund. Man selbst wird dazu gedrängt, das Beste aus sich herauszuholen und gewinnt dadurch an Erfahrung. Dieses Wissen kann dann wiederum in anderen Projekten eingesetzt werden, um dort schneller Erfolge zu erzielen.
Und was ist mir Ihren Kunden? Hagelt es auch mal schlechte Bewertungen?
Schlechte Bewertungen gehören zu jeder Brand dazu. Das ist ganz klar. Vor allem, weil Kunden allgemein eher dazu neigen, sich im Nachhinein zu beschweren, wenn ihnen der Service nicht gefallen hat. Für mich steht Kundenzufriedenheit immer an erster Stelle. Der Kunde ist König. Demnach bin ich auch im stetigen Austausch mit dem Kundensupport der jeweiligen Brand, um potenzielle Lücken frühzeitig zu erkennen und Problemfälle schnellstmöglich zu lösen. Es ist von großer Bedeutung zu verstehen, was die Kunden von einem halten. Stetiges Feedback ist demnach fundamental für einelangfristig erfolgreiche Brand.
Wie gehen Sie damit um?
Ich sehe »schlechte Bewertungen« nicht unbedingt als »schlecht« an, sondern eher als Feedback für das, was aktuell im Unternehmen falsch läuft. Durch dieses Feedback können wir bestimmte Stellschrauben justieren und unsere Strategie ändern. Ohne eine schlechte Bewertung würden wir bestimmte Fehler im Bestellprozess vielleicht gar nicht wahrnehmen und noch mehr Kunden nicht zufriedenstellen. Das wäre letztlich noch schlechter für die Brand. Einige Kunden nehmen bestimmte Unstimmigkeiten einfach so hin, andere beschweren sich. Das gehört, wie gesagt, dazu und hilft uns, als Brand zu wachsen und an einer besseren Version des Unternehmens zu feilen.
Welches Produkt würden Sie gern verkaufen, dass sich noch nicht in Ihrem Repertoire befindet, und warum?
An sich habe ich selten ein spezifisches Produkt in Sicht, weil ich weniger auf meine Einschätzung beharre, sondern auf Zahlen und Fakten. Gerade das ist ein Fehler vieler Beginner, den ich auch selbst gemacht habe. Anfangs denkt man immer, dass dieses oder jenes Produkt der neue Bestseller wird und dass es sich verkaufen muss, weil, weil, weil…. Aber nur, weil ich mir ein Produkt kaufen würde, heißt das noch lange nicht, dass meine Kunden dies genauso sehen.
Ich analysiere deshalb den Markt, um herauszufinden welche aktuellen Trends es gibt, um diese frühzeitig zuerkennen und dann gezielt in dieser Nische meine Brand zu platzieren. Daher habe ich kein »Wunschprodukt«, weil ich je nach aktueller Situation dem Markt folge und Produkte verkaufe, für die aktuell eine gewisse Nachfrage besteht. Habe ich dann noch ein gewisses Interesse an meiner Nische, ist das eine gute Voraussetzung für den Erfolg der Brand.
Bilder: privat