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Zum Erfolg gehört die Pflege der Psyche

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Zum Erfolg gehört die Pflege der Psyche

Wer etwas erreichen möchte, arbeitet oft überdurchschnittlich viel. Wenn dann aber zum Beispiel ein Burnout dazwischenfunkt, steht der hart erarbeitete Erfolg auf der Kippe. Denise Clauß coacht Menschen, die ihre Resilienz stärken wollen. In unserem Interview erklärt sie, warum nicht Wenige die Warnsignale übersehen und woher der schlechte Ruf des Burnouts kommt. 

Frau Clauß, wer erfolgreich ist, arbeitet oft überdurchschnittlich viel. Vielleicht zu viel. Ihr Business als Resilienz-Coach lässt vermuten, dass nicht jeder seine Grenze kennt. Woran liegt das?

Das ist so, weil die meisten Menschen ihre Grenzen entweder tatsächlich nicht kennen oder sie aus Angst vor Konflikten und der Befürchtung, die andere Person zu verletzen, nicht einfordern. Es gehört erst einmal eine ganze Menge Mut und Selbstreflexion dazu. Oft meinen wir, wir müssten mit allem klarkommen. Deshalb gestehen wir es uns nicht ein, wenn wir an unsere Grenzen stoßen. Das hat damit zu tun, dass die meisten von uns als Kind die Erfahrung gemacht haben, dass ihre Grenzen nicht respektiert werden. Dadurch fühlten wir uns ohnmächtig. Um diese Ohnmacht nicht mehr spüren zu müssen, haben wir uns dann dafür entschieden, unsere Grenzen nicht mehr wahrzunehmen.

Hat der Mensch eine natürliche Begabung zur Resilienz oder müssen wir das lernen?

Die innere Widerstandskraft ist wie ein Muskel – man kann sie aufbauen und trainieren. Allerdings gibt es Grenzen. Und man muss die Resilienz-Faktoren kennen. Unsere Resilienz wird in unseren Prägungsphasen in der Kindheit gebildet und ist abhängig vom individuellen sozialen Umfeld. Dazu gibt es eine wunderbare Studie der Entwicklungspsychologin Emmy Werner. In der »Kauai«-Studie geht es um die Langzeitfolgen prä- und perinataler Risikobedingungen und die Auswirkungen ungünstiger Lebensumstände in der frühen Kindheit auf die jeweilige physische, kognitive und psychische Entwicklung.

Stellen Sie einen Unterschied zwischen Frauen und Männern fest, wenn es um die Pflege der eigenen Psyche geht?

Der größte Unterschied ist wohl, dass Frauen ihre Gefühle eher wahrnehmen und Männer diese nicht spüren oder ignorieren, weil sie dies durch ihre Prägung so vermittelt bekommen haben. Die unterschiedlichen Rollenbilder, die beide Geschlechter erfüllen müssen, sind ebenfalls Faktoren.

Viele erfolgreiche Menschen beziehen Begriffe wie Burnout oder Depression nicht auf sich. Wenn sie es sich dann doch eingestehen, ist es vielleicht schon zu spät, oder? Was sind denn typische Alarmsignale?

Burnout und Depression werden nach wie vor mit psychischen Schwächen gleichgestellt und sind somit negativ behaftet. Niemand möchte als krank gelten. Die typischen Warnsignale reichen von Gereiztheit, Ängstlichkeit und Überforderung, Aggressivität und Ratlosigkeit bis hin zu Schlaflosigkeit und Depressionen. Oft wird der Zustand von dem Gefühl begleitet, neben sich zu stehen. Ein aktueller Fall ist zum Beispiel Verena Bahlsen. Sie konnte ihre Warnsignale nicht hören, ihr Stresshormon wurde zu viel. Sie muss sich jetzt mit ihren Grenzen und Bedürfnissen sowie ihrer Work-Life-Balance beschäftigen und diese erlernen. (A. d. R.: Anfang November hat Verena Bahlsen hat den Rücktritt von ihrer Rolle als »Chief Mission Officer« der Bahlsen-Gruppe in einem emotionalen LinkedIn-Post bekanntgegeben.)

Nicht immer ist nur der berufliche Stress für ein Burnout ursächlich. Was steckt noch dahinter?

Gerade auch im Privatleben kann Burnout entstehen. Zu den üblichen alltäglichen Herausforderungen kommen in diesen Zeiten weitere Herausforderungen wie Homeschooling, COVID, Krieg, Inflation und Existenzängste hinzu.

Menschen, die ihre Karriere und ihr Unternehmen starten, sind besonders ambitioniert. Sind sie deshalb auch besonders anfällig für Stress und Burnout?

Das ist natürlich der Klassiker, der gleichzeitig so tückisch ist. Den meisten Gründern ist klar, dass es immer wieder Situationen gibt, in denen nicht alles nach Plan verläuft und sie improvisieren müssen. Treten diese Situationen dann aber vermehrt ein, beginnt das negative Gedankenkarussell. Denn je häufiger solche Planabweichungen auftreten – insbesondere, wenn diese kurzfristig auftreten – desto schwieriger wird es, mit den Folgen umzugehen. Vor allem muss man neue Szenarien aufgrund der geänderten Bedingungen entwerfen, die wiederum neue Unsicherheiten mit sich bringen. Und so beginnt eine Abwärtsspirale. Hier gilt es, sich dies bewusst zu machen und dieser Entwicklung entgegenzutreten.

MK

Bild: Franziska Gunesch

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