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Wer nichts tut, muss gehen

Erfolg

Fitnessbranche: Wer nichts tut, muss gehen

Die Fitnessbranche hat unter den Lockdowns während der Coronapandemie besonders gelitten. Und jetzt bringt die Inflation weitere Probleme. Unternehmensberater und Fitnessexperte Chris Mewes meint, dass es Strategien für Betreiber von Fitnessstudios gibt, mit denen solche Probleme umschifft werden können. In unserem Interview erklärt er auch, warum Mitgliedergewinnung nicht immer eine Frage des Geldes ist.

Herr Mewes, ist es nicht sehr mutig, in diesen Zeiten ein Fitnessstudio zu eröffnen? Viele Menschen passen zurzeit verstärkt auf ihr Geld auf – für einige gehört eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio sicherlich zu Luxusausgaben, die notfalls zuerst eingespart werden.

In der Fitnessbranche haben die Fitnessclubs, die den Premiumketten angehören, aufgrund der aktuellen wirtschaftlichen Situation keine großen Schwierigkeiten, Neumitglieder zu generieren. Auch erlebe ich in den Discounter-Fitnessketten keinen Einbruch der Mitgliederzahlen. Man sagt, dass Harley Davidson keine Motorräder verkauft, sondern Freiheit. So kaufen die Kunden in einem Fitnessstudio kein Fitness-Abo, sondern einen Traum und damit ein Gefühl – das Gefühl, einen Schritt in Richtung einer besseren Version seiner selbst gemacht zu haben. Diese Emotion ist ein Bedürfnis vieler Menschen und wird auch nicht von einer anfallenden Inflation gestoppt. Dennoch sage ich auch, dass zur Selbstständigkeit immer eine Portion Mut dazu gehört.

Wer jetzt gründet, hat die Chance, nachhaltig und zukunftsgerichtet zu planen. Was ist wichtig für ein zeitgemäßes Studio, was erwarten die Menschen und was ist wirtschaftlich?

Wer heute auf dem Markt existieren oder sich gar als Platzhirsch etablieren will, der muss folgende Dinge beachten: Erstens, muss der Fitnessclub nicht nur physisch bestehen, sondern vor allen Dingen auch auf Social Media große Wellen schlagen. Professionelles Online-Marketing gehört heute zur Grundausstattung und muss permanent den Veränderungen auf dem Markt angepasst sein.

Zweitens ist der Standort, wie auch die Immobilie selbst, absolut relevant, um wirtschaftlich als Unternehmer profitabel zu sein. Ein guter Standort, mit vielen Views, attraktiven und umliegenden Menschenmagneten wie Fast-Food-Restaurants oder großen Supermärkten, liefern dem Fitnessclub sogenannte »Walk-ins«, Interessenten, die den Fitnessclub neugierig begutachten möchten.

Drittens sind der Mietpreis, der Baukostenzuschuss und die mietfreie Zeit nach der Neueröffnung alles wichtige Faktoren, die entscheiden, ob sich der Standort zur Gründung beziehungsweise Expansion eignet. Es kommen inzwischen fast wöchentlich Unternehmer der Fitnessbranche auf mich zu und lassen sich von mir im Verhandlungscoaching weiterbilden, um in Gesprächen mit dem Vermieter das Maximum für sich zu realisieren.

Viertens ist das Team ist entscheidend. »Zeig mir deinen Clubmanager und ich zeige dir deinen Erfolg« ist nur einer meiner Leitsprüche, die ich in meinen Seminaren meinen Teilnehmern an die Hand gebe. Jeder Fitnessclub steht und fällt mit der Führungskraft. In meinen knapp 20 Jahren Szenenerfahrung habe ich immer wieder die gleichen Muster entdeckt: Eine effektive Führungskraft schafft es auch in einem Problembezirk mit mangelnder Kaufkraft, den Fitnessclub mit Mitgliedern zu füllen. Dennoch muss ins Verhältnis gesetzt werden, mit welchem Aufwand dies realisiert wird.

Erfolgreiche Fitnessclubbetreiber haben den Anspruch, die Erwartungshaltung der Mitglieder zu übertreffen, anstatt sie zu erfüllen. Dies geschieht besonders dann, wenn die Mitarbeiter vor Ort im Fitnessclub regelmäßige Aktionen realisieren, wie zum Beispiel eine Wellnessreise für das Mitglied mit den meisten Check-ins im auslaufenden Jahr. Eine besonders große Wirkung auf die Zufriedenheit haben Aktionen, wenn das Mitglied eben nicht daran denkt.

Darüber hinaus ist es in der heutigen Zeit unerlässlich, eine ständige Veränderung im Fitnessclub hervorzurufen. Der Gamification-Faktor bringt Mitglieder dazu, langfristig auch Mitglied zu bleiben, wenn dieser immer wieder verändert wird. Wichtig ist dabei, dass alle Neuerungen oder auch Aktionen vom Team omnipräsent kommuniziert werden. Auch hier sind »Sales & Marketing« der Schlüssel zum Erfolg. Ein Team, das das Mitglied nicht zum Star und damit auch gleichzeitig zum Fan macht, wird trotz Gamification und Mitgliederaktion nur kurzweiligen Erfolg ernten.

Viele Menschen haben sich während des Lockdowns umorientiert und betreiben Sport draußen in der Natur oder zuhause mit Onlinekursen. Wie kann die Fitnessbranche sie wieder zurückgewinnen und welche Aufgaben hat der Vertrieb dabei?

Ich denke, dass das Bewusstsein wie auch das Bedürfnis der Menschen nach allgemeiner Fitness durch den Lockdown sogar gestiegen ist. Die Fitnessbranche profitiert meiner Ansicht nach davon, dass sich viele Menschen im Lockdown haben gehen lassen und die Motivation, etwas für sich und seinen Körper zu tun, jetzt gestiegen ist. Onlinekurse »befruchten« die Fitnessclubs, denn meist ist ein Onlinekurs der Beginn und endet mit einer Mitgliedschaft. Der Community-Faktor ist der Grund, weshalb die im Lockdown gekauften »Homegyms« oft nur kurzweilig sind.

Für den Vertrieb haben Fitness-Unternehmen folgende Situation: Die Karten sind nun nach Corona neu gemischt und es gewinnt das Fitness-Unternehmen, das omnipräsent ist und überwiegend auf Social Media aktiv ihre Mitglieder gewinnt. Ähnlich wie in anderen Ländern, beispielsweise England, wird der prozentuale Anteil der im Gym angemeldeten Mitglieder mindestens wieder auf alte Werte (14 Prozent) steigen. Wichtig für Fitnessclubbetreiber ist nur, dass sie verstehen, dass der Konkurrenzkampf nun digital und medial gewonnen wird. Wer die Digitalisierung jetzt nicht ernst nimmt, der wird vom Markt verdrängt. Aktuell habe ich mehrere Fitnessclubbetreiber in meinem Mentoring, die es geschafft haben, durch gezielte Social-Media-Werbekampagnen zu den Gewinnern zu gehören. Durch die Promotion werden offline Mitglieder geschrieben, skaliert wird jedoch online mit Webinaren, bei denen neue Mitgliedschaften in dreistelliger Höhe geschrieben werden. Was früher undenkbar war, wird zum heutigen Standard.

Haben Einzelbetreiber jenseits der Metropolen überhaupt eine Chance, wirtschaftlich zu sein?

Es ist kein Geheimnis, dass es immer schwieriger wird, für Einzelbetreiber bei den heutigen in der Fitnessbranche geltenden Dienstleistungs-Standards mitzuhalten. Der Kunde ist auch deutlich anspruchsvoller geworden. Umso wichtiger ist es für Einzelbetreiber, dass sie ihre Mitarbeiter im Club professionell schulen lassen, sodass der Nutzen der im Club angebotenen Leistungen richtig und effektiv kommuniziert wird. Des weiteren ist es so, dass Einzelbetreiber ihre Schwächen zu Stärken transformieren müssen. Fakt ist, dass es für viele Einzelbetreiber ohne professionelle Unterstützung von externen Beratern und Sales-Experten ein Kampf um ihre Existenz werden wird. Die Aussetzung der Insolvenzantragspflicht hat gerade in der Coronapandemie einige Fitnessclubbetreiber gerettet. In den letzten Monaten kontaktieren mich viele Betreiber, die sich mit ihrem Unternehmen in wirtschaftlicher Schieflage befinden. Einige Betreiber konnten mit gezielten Werbekampagnen und Vertriebsstrategien ihre gewünschten Umsätze in letzter Sekunde noch realisieren. Fakt ist auch: Kleine Fitnessketten werden von größeren Fitnessketten aufgekauft und verdrängen durch mehr Marktanteile immer mehr Einzelbetreiber vom Markt.

Welche Rolle spielt die Digitalisierung in der Fitnessbranche?

Diese Frage beantworte ich gerne mit einem Zitat von Wladimir Klitschko: »Wer sich nicht konsequent digitalisiert und transformiert, wird ausgeknockt.« In der Fitnessbranche ist die Digitalisierung längst angekommen. Der Interessent hat die Möglichkeit, sich online einen Termin im Fitnessclub zu buchen, die Mitarbeiter nehmen über Zoomcalls an Weiterbildungsprogrammen teil, Neumitglieder werden teilweise über Webinare und gezielte Online-Marketing-Kampagnen gewonnen. Über Apps sind Trainingspläne einsehbar, aber auch der Check-in in personallose Fitnessclubs ist mittlerweile komplett digital. Was früher das klassische Empfehlungsmarketing mit physischen Gutscheinen war, ist heute digital verfügbar. Meine Geschäftspartner konnten die Empfehlungsquote pro Neumitglied dank der Digitalisierung von zwei auf 3,1 steigern. Kurz gesagt: Wer die Digitalisierung als effektives Tool sieht, der wird immer einen Weg finden, wie er in seinem Fitnessclub einen digitalen Mehrwert schafft. Die Natur macht es uns vor: Stillstand ist Rückgang. Wer nicht mit der Zeit geht, der geht mit der Zeit. Die Mitglieder von heute zieht es in die Fitnessclubs, die Innovation bieten.

MK

Chris Mewes ist Gründer und CEO von Profit Performance.
Er ist seit 20 Jahren in der Fitnessbranche aktiv und bietet hierfür seine Expertise an.

Beitragsbild: Ronny Bartels

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