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Was Apple, Louis Vuitton und Trigema richtig machen

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Was Apple, Louis Vuitton und Trigema richtig machen

Wie kann ein Unternehmen erfolgreich werden und bleiben? Gerade die Pandemie hat gezeigt, dass Firmen in Schieflage geraten können, die vorher stabil waren. Andere tauchen auf und werden überraschend erfolgreich. Wieder andere stehen fest auf dem Boden der Unternehmenslandschaften. Garantien gibt es keine, aber es gibt Regeln, die dabei helfen, ein Unternehmen langfristig erfolgreich zu machen. Ulvi Aydin ist erfahrener Interim Manager und kennt zahlreiche Unternehmen von innen. In unserem Interview erklärt er, welche Fehler oft zum Aus führen, was die grundlegende Strategie sein sollte, die sich auch in Krisen bewähren.

Ulvi, als Interim Manager weißt du, wie es in vielen Unternehmen aussieht. Warum kann es trotz eines guten Produktes oder Dienstleistung zu Schwierigkeiten kommen?

Ich berate nun seit fast 20 Jahren Unternehmer, bin in vielen Unternehmen als Interim Manager, als Beirat und Aufsichtsrat, ich bin Mentor, Coach, und Trainer, häufig auf C-Level. Fest steht: Es gibt keine Unternehmensstrategie ohne Unternehmerstrategie. Eine Unternehmerstrategie kann etwas Simples sein, zum Beispiel: Ich will mit 40 Jahren meine erste Million haben. Oder: Ich gründe eine Non-Profit-Organisation, weil ich der Welt etwas Gutes tun möchte, wie zum Beispiel Henry Dunant, der das Rote Kreuz gegründet hat. Das ist eine Unternehmerstrategie. Oder nehmen wir Apple. Der Gründer Steve Jobs war mal Kunststudent. Deswegen hat er den Fokus auf die optische Benutzeroberfläche gelegt. Er wollte nicht nur einen Computer entwickeln, er wollte einen Computer entwickeln, den man intuitiv nutzen kann.

Es gibt Dutzende Beispiele für Unternehmerstrategien. Und die bestehen aus einer Kausalitätskette: Vision, Mission, Strategie und Planung. Die Vision ist ein wenig abstrakt und fragt: Was will ich eigentlich machen? Udo Walz zum Beispiel wollte nicht einfach Friseur sein, er hatte eine Vision: Er wollte sein Metier erobern. Oder Bernard Arnault. Er war mal Bauunternehmer, hat dann unter anderem Louis Vuitton aufgebaut. Er ist Vorsitzender und CEO des Luxusgüter-Konzerns LVMH und nun einer der reichsten Menschen der Welt. Die Produkte von Louis Vuitton bestehen nur aus Leinen, die mit Plastik überzogen sind und ein paar Lederapplikationen. Aber eine Vuitton-Tasche ist nicht einfach nur eine Tasche. Sie ist ein Lebensgefühl. Das ist die Kaskade: »Vision – Mission – Planung – Strategie«.

Viele Unternehmer erklären mir ihre Strategie, aber nicht, was ihre Vision ist. Man muss in zwei Sätzen sagen können, was das Unternehmen vorhat – das ist der berühmte Elevator-Pitch. Ich habe nicht viel Zeit, dem Kunden zu erklären, warum er sich für mich interessieren sollte. Ein gutes Beispiel ist das Unternehmen Peloton. Das Unternehmen stellt nicht einfach nur Laufbänder und Trainingsbikes her. Es gibt dazu einen riesigen Bildschirm, auf dem zum Beispiel die mexikanische Küste zu sehen ist, während ich laufe – ich kann also durch diesen Bildschirm an der sonnigen Küste entlanglaufen. Und das Laufband macht sogar die Steigungen der Landschaft mit.

Aber was hat Peloton falsch gemacht? Dem Unternehmen geht es jetzt nicht mehr so gut, die Umsätze sind nach der Pandemie eingebrochen? Wie müsste die Strategie nachjustiert werden?

Die Pandemie war Fluch und Segen zugleich. Manche Geschäfte sind kaputtgegangen, andere wurden befeuert, wie zum Beispiel Lieferdienste für Essen. In einer Krise ist es wichtig, sich auf die Zeit nach der Krise vorzubereiten. Max Frisch hat mal gesagt: »Eine Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihr nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen.« Wenn ich also von einer Krise profitiere, muss ich davon ausgehen, dass die Krise auch zu Ende gehen wird.

Peloton hat sich nicht darauf vorbereitet und nicht bedacht, dass die Menschen wieder rausgehen werden. Restrukturierung ist deshalb elementar. Immer wieder. Das ist der Kreislauf eines Unternehmenslebens. Es gibt immer eine Restrukturierung, dann eine Konsolidierung und danach gibt es ein Wachstum. Und dann wieder Restrukturierung. In der Phase des Wachstums muss ich die Restrukturierung schon vorbereiten. Die meisten machen den Fehler zu glauben, eine Restrukturierung sei nötig, wenn es nicht gut läuft, wenn kein Geld da ist. Das ist der Fehler.

Und Peloton hätte eine Restrukturierung der Kommunikation durchführen müssen. Jemand, der die Produkte von Peloton benutzt, spart sich die Zeit für den Weg zum Fitnessstudio. Ich stehe morgens auf, stelle mich auf mein Peloton-Laufband und gehe danach duschen – ich spare ungefähr eine Stunde Zeit. Das Unternehmen hat immer das Preis-Leistung-Verhältnis in den Vordergrund gestellt und nicht den Preis-Nutzen. Das Preis-Leistung-Verhältnis ist etwas Objektives, der Preis-Nutzen etwas Subjektives, Individuelles. Die Produkte sind etwas teurer, aber ich spare Zeit und das Geld fürs Fitnessstudio. Jemand, der zum Beispiel eine teure Rolex trägt, tut das nicht, um die Uhrzeit abzulesen. Eine Rolex gibt dem Träger ein schönes Lebensgefühl, diese Uhr zu besitzen, der Preis ist es ihm wert. Das ist Preis-Nutzen.

Kann man das Verkaufen eines solches Lebensgefühls planen oder ist es ein gewachsener Prozess?

Unternehmen, die 100, 200 Jahre alt sind, haben sich mal als Hersteller physischer Produkte dargestellt. Sie sind dann über die Jahre zu einem Lebensgefühl geworden. Gute Beispiele sind Marken wie Mercedes und Porsche. Man muss sich als Unternehmer überlegen, ob man in das Portemonnaie des Kunden will oder in sein Herz. Das muss Teil der Unternehmen-DNA sein. Die Vision von Harley Davidson ist zum Beispiel: »Wir verkaufen ein Lebensgefühl  – das Motorrad gibt es gratis dazu.«

Stellen wir mal Trigema und Gerry Weber gegenüber, beides Textilhersteller und Familienunternehmen. Warum ist Trigema erfolgreich und Gerry Weber nicht mehr?

Gerry Weber hat den Todeszeitpunkt des Unternehmens nicht erkannt. Geben die Menschen Geld für eine Bluse aus? Nein, sie geben Geld aus, um schick auszusehen. Das Management hat nicht erkannt, dass eine 50-jährige Frau heute anders aussieht, als eine 50-Jährige vor 25 Jahren. 50 ist das neue 40. Das Markenversprechen von Gerry Weber war, dass man als 50-Jährige adrett aussehen kann. Sie haben den Zeitpunkt verpasst, sie haben das Lebensgefühl nicht erkannt. Die Menschen sind zudem heute auch viel sprunghafter bei Marken geworden.

Trigema hat nie Klamotten verkauft. Trigema verkauft Wolfgang Grupp. Das ist eine Unternehmerbotschaft. Er hat einen TikTok-Kanal und verspricht dort allen Kindern seiner Mitarbeiter einen Arbeitsplatz. Und er zeigt sich gemeinsam mit seinen Mitarbeitern im Großraumbüro. Eigentlich verkauft er nur T-Shirts, aber tatsächlich verkauft er sich selbst. Man muss sich immer wieder anpassen und neu ausrichten. Als Unternehmer muss man fast schon paranoid sein. Man muss sich fragen: Habe ich noch eine Existenzberechtigung? Und wenn es gut läuft, muss ich mich fragen, wie lange das noch gut geht.

MK

Info: Ulvi Aydin ist Executive Interim Manager, Beirat, Unternehmens- und Unternehmer-Entwickler, XING-Insider und Buchautor. Er unterstützt mittelständische Unternehmen und Konzerne bei Marken- und Marktentwicklung, Neupositionierung, Restrukturierung und Vertriebsexzellenz.

Bild: Ulvi Aydin

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