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Moderner Vertrieb in Traditionsbranchen – zu gegensätzlich?
Tradition und Digitalisierung – zwei Begriffe, die sich augenscheinlich zu sehr voneinander unterscheiden, um sie zusammenzubringen. Der Vertriebsmentor Oliver Bestier ist jedoch anderer Meinung: Gerade für traditionelle Branchen wie den Bau, das Handwerk oder die Industrie sehe er viele Chancen, sich mithilfe moderner Vertriebsmethoden weiterzuentwickeln. Worauf es dabei ankommt, erklärt der Experte im Interview.
Herr Bestier, wie verändern sich die Anforderungen in traditionellen Branchen, wenn der Vertrieb modernisiert wird? Welche neuen Fähigkeiten müssen Verkäufer erlernen?
Die Modernisierung des Vertriebs bringt gerade in traditionellen Branchen wie dem Bau, dem Handwerk und der Industrie einen ziemlichen Umbruch mit sich. Verkäufer können sich nicht mehr nur auf die altbewährten Methoden verlassen, denn sie müssen neue Technologien einsetzen und gleichzeitig auf ein verändertes Kundenverhalten reagieren. Früher stand oft das Produkt im Mittelpunkt, heute ist es ganz klar der Kunde. Verkäufer müssen echte Beziehungen aufbauen und sich darauf konzentrieren, die Bedürfnisse der Kunden wirklich zu verstehen. Empathie und aktives Zuhören sind dafür unverzichtbar, weil sie Vertrauen schaffen und für langfristige Bindungen sorgen.
Außerdem müssen Verkäufer technologische Tools wie CRM-Systeme oder KI-gestützte Analysen beherrschen, um effizienter zu arbeiten und bessere Entscheidungen zu treffen. Nicht nur das: Es reicht längst nicht mehr, einfach technische Daten herunterzubeten. Heute zählen Dinge wie Storytelling: Kunden wollen die Geschichte hinter dem Produkt oder der Dienstleistung hören, also etwas, das sie emotional abholt und den Mehrwert klar macht.
Die Anforderungen steigen also und genau das ist auch eine Chance. Wer bereit ist, sich weiterzuentwickeln, technologische Fähigkeiten zu lernen und den Kunden in den Mittelpunkt zu stellen, wird in dieser modernen Vertriebswelt nicht nur bestehen, sondern erfolgreicher denn je sein. Modernisierung heißt nicht, das Alte wegzuwerfen, denn es bedeutet, die besten Elemente zu kombinieren, um zukunftsfähig zu bleiben.
In traditionellen Branchen ist der Markt oft sehr lokal und regional geprägt. Wie können digitale Vertriebsmethoden dabei helfen, neue Märkte zu erschließen?
Digitale Vertriebsmethoden sind ein echter Türöffner, um traditionellen Branchen den Sprung über die regionalen Grenzen hinaus zu ermöglichen. Sie bieten die Chance, neue Märkte zu erschließen, ohne dabei die eigene lokale Identität zu verlieren. Social-Media-Kanäle und datenbasiertes Targeting machen es heutzutage möglich, gezielt potenzielle Kunden anzusprechen, die ähnliche Bedürfnisse haben wie die bestehende Zielgruppe. So erreicht man auch Kunden, die geografisch weit entfernt sind, mit einer Botschaft, die genau passt. Gleichzeitig können Unternehmen mit Content-Marketing und lokalisierter Ansprache Vertrauen in neuen Märkten aufbauen – zum Beispiel durch relevante Inhalte, die auf die regionalen Besonderheiten eingehen.
Ein weiterer Vorteil digitaler Methoden: Virtuelle Präsentationen, Webinare oder Online-Messen machen es möglich, Interessenten kostengünstig zu erreichen, ohne direkt vor Ort sein zu müssen. Das spart vor allem Ressourcen und eröffnet auch Chancen, schneller und flexibler auf neue Märkte zuzugehen. Dazu kommen Automatisierung und Datenanalysen: Sie helfen dabei, Marktpotenziale zu erkennen und Vertriebsressourcen genau dort einzusetzen, wo sie den größten Effekt haben. Diese Methoden senken die Einstiegshürden und erhöhen die Reichweite erheblich. Kurz gesagt: Mit digitalen Vertriebsmethoden können Unternehmen ihre lokale Stärke mit einer globalen Präsenz kombinieren, also eine ideale Grundlage, um auch in neuen Märkten erfolgreich zu sein.
Welche Rolle spielt der direkte Kundenkontakt noch in traditionellen Branchen? Wie lässt sich dieser mit digitalen Vertriebstechniken kombinieren – ohne die persönliche Beziehung zu verlieren?
Direkter Kundenkontakt bleibt in traditionellen Branchen absolut unverzichtbar. Er schafft Vertrauen und bildet die Grundlage für stabile, langfristige Beziehungen. Gerade bei erklärungsbedürftigen Produkten oder Dienstleistungen. Doch das heißt nicht, dass man auf digitale Vertriebstechniken verzichten muss. Im Gegenteil: Sie können den persönlichen Austausch perfekt ergänzen und effizienter machen, ohne die menschliche Komponente zu verlieren. Digitale Tools wie CRM-Systeme oder Videokonferenzen helfen Verkäufern, ihre Gespräche besser vorzubereiten und flexibler zu gestalten. Dadurch können sie gezielter auf Kunden eingehen und ihre Zeit sinnvoll einsetzen. Digitale Kommunikationswege – sei es per E-Mail, Chat oder über soziale Medien – machen es außerdem leicht, auch zwischen persönlichen Treffen präsent zu bleiben und den Kontakt regelmäßig zu pflegen. Darüber hinaus bieten Plattformen wie Webinare oder virtuelle Produktpräsentationen die Möglichkeit, eine größere Zielgruppe gleichzeitig anzusprechen und dennoch individuell auf die Bedürfnisse der Teilnehmer einzugehen. So kann der Vertrieb Reichweite und Effizienz steigern, ohne dabei auf die Nähe zum Kunden zu verzichten. Kurz gesagt: Der direkte Kontakt bleibt das Herzstück im Vertrieb traditioneller Branchen und mit den richtigen digitalen Techniken lässt er sich optimal ergänzen. Das Ergebnis ist eine Mischung aus persönlicher Beziehung und moderner Effizienz und genau das ist es, was Kunden heute schätzen.
Social Media ist heutzutage unumgänglich, wenn Unternehmen mit der schnelllebigen Welt mithalten wollen. Sollten auch Branchen wie Bau, Handwerk und Industrie auf diesen neuen Vertriebskanal setzen oder lässt sich das nicht mit den traditionellen Werten und der Professionalität dieser Unternehmen vereinbaren?
Auch Branchen wie Bau, Handwerk und Industrie können von Social Media enorm profitieren und das ohne ihre traditionellen Werte oder Professionalität zu verlieren. Tatsächlich bietet Social Media eine großartige Möglichkeit, genau diese Werte einem breiteren Publikum zu zeigen und damit sogar ihre Marktposition zu stärken. Die Sorge, dass Social Media »nicht passt«, lässt sich durch einen strategischen Ansatz ausräumen. Der Schlüssel liegt darin, Inhalte zu teilen, die die Expertise und den Charakter des Unternehmens unterstreichen. Das können authentische Einblicke in den Arbeitsalltag, Videos von Bauprojekten oder Erfolgsgeschichten zufriedener Kunden sein. Solche Beiträge zeigen, dass das Unternehmen modern und nahbar ist, ohne seine Wurzeln zu vergessen. Social Media ist kein Widerspruch zu Tradition und Professionalität, weil es eine Ergänzung ist, die es Unternehmen erlaubt, sowohl ihre bestehenden Kunden besser zu erreichen als auch neue Zielgruppen zu erschließen. Gerade für die Gewinnung von Fachkräften, die zunehmend auf Plattformen wie Instagram oder LinkedIn unterwegs sind, ist eine Social-Media-Präsenz unverzichtbar. Kurz gesagt: Social Media bietet Branchen wie Bau, Handwerk und Industrie eine wertvolle Chance, Tradition und Moderne zu verbinden. Mit der richtigen Strategie können sie nicht nur ihre Sichtbarkeit erhöhen, sondern auch die Erwartungen moderner Kunden und Talente erfüllen.
Haben Sie bereits erlebt, dass sich traditionelle Unternehmen aufgrund ihrer Traditionen gegen die Modernisierung und Digitalisierung wehren? Was kann der Vertrieb in diesen Fällen unternehmen?
Ja, ich habe das schon erlebt, dass traditionelle Unternehmen zögern, wenn es um Modernisierung und Digitalisierung geht. Das ist meist keine grundlose Ablehnung, es steckt oft vielmehr die Sorge dahinter, bewährte Prozesse oder Werte zu verlieren. Manchmal fehlen auch einfach die Kenntnisse, wie dieser Wandel praktisch umgesetzt werden kann. Tradition und Innovation wirken in solchen Fällen wie Gegensätze, müssen sie jedoch nicht sein.
Hier kann der Vertrieb eine wichtige Rolle spielen. Es geht darum, Unternehmen zu zeigen, dass Digitalisierung ihre Traditionen nicht bedroht, sondern sogar stärken kann. Durch praxisnahe Beispiele, etwa wie ähnliche Unternehmen erfolgreich digitalisiert wurden, lässt sich Vertrauen aufbauen. Auch eine schrittweise Einführung neuer Technologien, statt alles auf einmal zu ändern, hilft oft diese Ängste abzubauen. Der Vertrieb kann als Brücke zwischen Alt und Neu fungieren, indem er Verständnis für die Sorgen der Unternehmen zeigt und gleichzeitig die Vorteile der Modernisierung vermittelt. Mit der richtigen Unterstützung und klarer Kommunikation wird oft deutlich: Tradition und Digitalisierung können sich hervorragend ergänzen und das Unternehmen langfristig sogar widerstandsfähiger machen.
Unser Gesprächspartner:
Oliver Bestier ist Vertriebsmentor und Keynote Speaker. Mithilfe seiner langjährigen Berufserfahrung in führenden Vertriebspositionen unterstützt er Unternehmen beim Aufbau und der Weiterentwicklung eines leistungsstarken Vertriebsteams. Seit 2018 begleitet er Unternehmen verschiedener Branchen dabei, nachhaltige Vertriebsstrukturen zu etablieren und Prozesse zu optimieren.
Bild: Sarah Ley