Beim Pitch fängt es schon an: Es werden Mock-ups erstellt, Alleinstellungsmerkmale definiert, Marktpotenziale errechnet – beziehungsweise großzügig geschätzt – und optimistische Prognosen abgegeben. Wer kann, hat ein Proof of Concept und Testimonials vorzuweisen. Wer nicht, darf dank einiger guter Kontakte zumindest überzeugende Interessenbekundungen präsentieren. Natürlich zeigen sich Start-ups auf der Suche nach Investoren von ihrer Schokoladenseite und tun ihr Bestes, um ihre zwangsläufig ebenfalls vorhandenen Makel zu kaschieren. Wer kann schon genau vorhersagen, wie gut sich ein noch mit Investorengeldern zu entwickelndes Produkt langfristig auf dem Markt geben wird? Also rechnen wir mit dem Best-Case-Szenario. Wer kann schon ohne ein Team von gut bezahlten Ingenieuren sichergehen, dass die eigene Technologie das halten wird, was man heute mit vollster Überzeugung verspricht? Also bleibt nur zu hoffen, dass man mit den Skizzen, Berechnungen und Tests, die mit eigenen Mitteln möglich waren, nicht auf dem Holzweg ist.
Gründerinnen und Gründer von Start-ups sind vor allen Dingen eines: Visionäre. Sie sehen das, was andere nicht sehen. Um die Vision Realität werden zu lassen, müssen sie die anderen von ihren Ideen überzeugen. Dass dafür hier und da etwas beschönigt oder getrickst wird, ist gang und gäbe. Aber wo ist die Grenze? Wo hört Optimismus auf und fängt Lüge an?
Der Höhenflug und tiefe Fall von Theranos-Gründerin Elizabeth Holmes hat bereits 2015 die Gründerszene erschüttert, Anfang des Jahres folgte das Gerichtsurteil. Die neue Miniserie »The Dropout« gesellt sich zu weiteren Produktionen wie »WeCrashed« und »Super Pumped«, die Themen rund um Betrug, Skandale und Größenwahn in der Start-up-Kultur aufgreifen und dadurch Eintritt in den populären Diskurs weit über die Gründerszene hinaus verschaffen. Skandale wie diese schaden dem Ruf aller jungen, mutigen Gründerinnen und Gründer. Doch ist es auch eine Chance, diese wichtige Frage zu diskutieren: Welche Rolle spielen Ethik und Moral bei der Unternehmensgründung?
Das Editorial »Von der Vision zur Lüge – Wenn grenzenloser Optimismus grenzwertig wird« von Johanna Schmidt und weitere spannende Artikel finden Sie in der aktuellen Ausgabe vom founders Magazin Nr. 37 -> LINK
Beitragsbild: Christian Wellmann