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Ranklotzen statt Vier-Tage-Woche: Ohne Leistung geht es nicht!

Einstellung

Ranklotzen statt Vier-Tage-Woche: Ohne Leistung geht es nicht!

Immer mehr Menschen wünschen sich eine verkürzte Arbeitswoche, um mehr Zeit für Erholung, Hobbys und Familie zu haben. Befeuert durch eine britische Studie, wird das Thema aktuell heiß debattiert. Welche Aspekte dabei meiner Ansicht nach zu kurz kommen und warum wir uns eine Vier-Tage-Woche mit Blick auf die Lage der deutschen Wirtschaft eigentlich gar nicht leisten können? Das beleuchte ich in diesem Beitrag.

Kürzere Arbeitszeit, höhere Produktivität?

Eine Studie zur Vier-Tage-Woche in Großbritannien kam zu überraschenden Ergebnissen: Trotz verkürzter Arbeitszeit stieg der Umsatz der teilnehmenden Unternehmen. Insgesamt rund 3.000 Mitarbeiter arbeiteten an vier statt an fünf Tagen in der Woche und waren seltener krank und eigenen Angaben zufolge auch weniger gestresst. Auch die Zahl der Kündigungen war in dieser Zeit rückläufig. 56 der teilnehmenden 61 Arbeitgeber teilten nach Ende der Testphase mit, bei diesem Modell bleiben zu wollen.

Klar klingt das erst mal großartig, keine Frage. Laut einer Studie der Bertelsmann Stiftung wünschen sich bei uns rund 41 Prozent der Frauen und 50 Prozent der Männer, mehr Zeit außerhalb des Berufs zu haben und wollen deswegen weniger arbeiten. Ich frage mich allerdings als Unternehmer: Wie soll das funktionieren? Es herrscht ein massiver Fachkräftemangel; immer mehr Arbeit wird von immer weniger Menschen gemacht. Wie soll die Rechnung da noch aufgehen, wenn die Arbeitszeit sinkt?

Ich denke, dass viele das Thema zu kurzsichtig betrachten. Ja, der Umsatz der britischen Unternehmen stieg während der Testphase – um 1,4 Prozent. Mit Blick darauf, was gerade in der Wirtschaft los ist, sowohl in England als auch generell weltweit, kann ich nur eines sagen: Das reicht doch vorne und hinten nicht! Und lasst uns bitte realistisch sein: Die gemessenen Produktivitätsfortschritte werden sicherlich nicht dauerhaft sein, denn der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Die, die jetzt schon keine Lust auf ihre Arbeit haben, werden auch bei einer Vier-Tage-Woche Mittel und Wege finden, sich vor Verantwortung und Aufgaben zu drücken und nur so tun, als seien sie schwer beschäftigt. Und es sind auch diese Menschen, die dann ein paar Monate später als Erste jammern werden und von einer Drei-Tage-Woche träumen – während noch mehr Arbeit auf den Schultern der High Performer lastet. Und gleichzeitig steigen auch die Kosten für die Unternehmen weiter, weil sie mehr Mitarbeiter brauchen werden, um einen Gewinn zu erwirtschaften – oder um schlicht und ergreifend der Nachfrage überhaupt gerecht zu werden.

Die Arbeit muss gemacht werden!

Ich habe auch den Eindruck, dass viele hier nur an Bürojobs denken. Was würde ein Wechsel zur Vier-Tage-Woche für den Dienstleistungssektor bedeuten? Und was ist mit dem Handwerk? Der Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft bei mir in Wesel hat es auf den Punkt gebracht: »Am Ende des Tages muss die Arbeit gemacht werden.« Und das dürfen wir nicht vergessen. Gerade im Handwerk, in dem zwar eine hohe Auftragslage herrscht, gleichzeitig jedoch auch massiver Fachkräftemangel. Klar kann eine Vier-Tage-Woche da ein attraktiver Anreiz sein, um neue Mitarbeiter zu gewinnen. Doch dann brauchst du entsprechend viele, um die Aufträge überhaupt abgearbeitet zu bekommen. Das Landhotel Voshövel in Schermbeck, in dem ich auch immer mal wieder Seminare veranstalte, hat die Vier-Tage-Woche bereits umgesetzt. Allerdings mit einer flexiblen Komponente, um das wirtschaftliche Betriebsinteresse zu wahren. Das heißt: Bei Großveranstaltungen im Hotel muss sichergestellt werden, dass alles glattläuft. Und Mitarbeiter müssen dann eben auch mal fünf Tage am Stück arbeiten und nicht auf die vier Tage beharren. Das ist für mich ein extrem wichtiger Punkt, der vielen Angestellten heute völlig fremd zu sein scheint: Arbeit ist keine lästige Verpflichtung, sondern etwas, was dich auch erfüllt. Und es geht letztendlich auch um Teamplay: Du trägst deinen Teil dazu bei, damit das große Ganze funktioniert. Stattdessen erlebe ich jedoch immer häufiger Egoismus und isoliertes Denken. Dabei sind wir nicht allein auf der Welt, sondern stehen in internationalem Wettbewerb. Und jeder von uns hat seinen Anteil daran, ob wir den Karren wieder auf Kurs bekommen oder nicht.

Wir sind hier nicht bei »Wünsch dir was«!

Leider haben wir in unserer Gesellschaft jedoch einen Haufen Dodos großgezogen, die diese Zusammenhänge nicht verstehen oder nicht verstehen wollen. Sie haben gelernt, dass sie durch reines Fordern alles kriegen. Wozu das führt, sehen wir beispielsweise an den ganzen Streiks, die momentan immer wieder das öffentliche Leben empfindlich stören. 10,5 Prozent mehr Lohn, mindestens 500 Euro mehr? Mit welcher Berechtigung? Natürlich sind die Lebenshaltungs- kosten gestiegen, ebenso die Kosten für Heizung und Benzin, jedoch für alle Menschen in unserem Land. Was die Streiken- den dabei völlig ausblenden: Dieses Geld muss auch erst mal erwirtschaftet werden!

Und diese überhöhten Forderungen bewirken letztendlich doch nur, dass die Preise weiter steigen werden. Auch als Unternehmer müssen wir mehr für Energie, Strom und so weiterzahlen, haben gestiegene Preise bei Partnern, Lieferanten und Co. Mit höheren Löhnen werden wir das nicht ausgleichen, sondern dafür sorgen, dass sich die Spirale noch schneller dreht. Denn die Kosten werden wir auch nur tragen können, wenn mehr Geld reinkommt. Und wie erwirtschaften wir das? Durch mehr Produktivität und mehr Leistung. Und da beißt sich die Schlange in den Schwanz. Das funktioniert nicht mit einer Vier-Tage-Woche.

»Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit!«

Nur mal zur Erinnerung: Vor den Weltkriegen war Deutschland ein wohlhabendes Land. Warum? Weil die Deutschen fleißig waren und tatsächlich Werte geschaffen haben. Schaut euch mal die Gründerzeit- bauten in den Innenstädten an, die die Zeit überdauert haben. Oder historische Fabrikgelände oder die Industriedenkmäler im Ruhrgebiet, wo ich herkomme. Es sind Menschen wie Werner von Siemens, Gott- lieb Daimler, Robert Bosch oder Ferdinand Porsche, die im 19. Jahrhundert gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Grundlage für unsere Wirtschaft aufgebaut haben. Das wäre nicht geschehen, wenn damals schon alle gejammert und nach mehr Work-Life- Balance geschrien hätten. Seit Einführung der Fünf-Tage-Woche in den 50er-Jahren war Deutschland niemals ein Land, das sich im europäischen Vergleich durch besonders hohe Arbeitszeiten oder exorbitant viele Überstunden herausgestellt hat. Es ging auch so – weil die Leute ihren Job gemacht haben. Sie waren fleißig und stolz, zum Beispiel »beim Daimler zu schaffen«.

Und jetzt leben wir seit Jahrzehnten von der Substanz. Der Haken an der Sache: Der Wohlstand von heute gründet auf dem Fleiß von gestern. Und der Wohlstand von morgen? Wo soll der herkommen? Irgendjemand muss ranklotzen. Kluge Geschäftsideen auf den Weg bringen und Gas geben, damit wir in Zukunft eine Perspektive haben. Und das wird nicht mit einer Vier-Tage-Woche bei vollem Lohnausgleich gelingen. Ich halte es hier mit Steffen Kampeter, Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände, der jüngst forderte: »Wir brauchen mehr Bock auf Arbeit!« Genauso sieht es aus. Auch wenn ich mich damit unbeliebt mache – ich bin Realist. Wir werden alle die Extrameile gehen müssen. Und sollten uns besser mit dem Gedanken an die 42-Stunden-Woche anfreunden, um unsere Wirtschaft wieder auf Kurs zu bringen.

Der Autor: Martin Limbeck ist unter anderem Inhaber der Limbeck® Group, Wirtschaftssenator (EWS) und einer der führenden Experten für Sales und Sales Leadership in Europa. Zitate: Immer mehr Menschen wünschen sich eine verkürzte Arbeitswoche, um mehr Zeit für Erholung, Hobbys und Familie zu haben. Es sind Menschen wie Werner von Siemens, Gottlieb Daimler, Robert Bosch oder Ferdinand Porsche, die im 19. Jahrhundert gemeinsam mit ihren Mitarbeitern die Grundlage unserer Wirtschaft aufgebaut haben.

Aus: founders Magazin Ausgabe 46

Bild: Depositphotos / antrey 

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