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Profiling: Wer sein Gegenüber kennt, entscheidet besser
In Verhandlungen oder Vorstellungsgesprächen kann das Bauchgefühl neben der Faktenlage durchaus hilfreich sein. Doch noch verlässlicher ist der Blick in das Gesicht seines Gegenübers. Mit den Tools des Profilings kann man sich im Geschäftsleben einen Vorsprung sichern, indem man entschlüsselt, was im Gesprächspartner vorgeht. Mimikresonanz-Coach Sabine Finkmann erklärt in unserem Interview, wie das funktionieren kann und warum ein Pokerface nur bedingt funktioniert.
Frau Finkmann, wenn man sein Gegenüber einschätzen kann, bringt das einen Vorsprung in Verhandlungen oder im Vorstellungsgespräch. Profiling kann dabei helfen. Wie verlässlich ist diese Methode?
Das Einschätzen des Gegenübers kann zweifellos einen Vorteil in Verhandlungen und Vorstellungsgesprächen bieten. Profiling, das die Analyse von Morphologie, Verhalten und Persönlichkeitsmerkmalen umfasst, ist eine Methode, um die Einschätzung von Menschen zu erleichtern. Die Verlässlichkeit von Profiling hängt von verschiedenen Faktoren ab, einschließlich der Qualität der verwendeten Daten und der Erfahrung des Profilers. Menschen sind komplex und vielschichtig, und ihr Verhalten kann von vielen Faktoren beeinflusst werden. In Verhandlungen und Vorstellungsgesprächen kann Profiling als Werkzeug zur Vorbereitung dienen, um mögliche Verhaltensmuster und Persönlichkeitsmerkmale zu erkennen. Insgesamt kann Profiling als Hilfsmittel nützlich sein, um Einschätzungen im Geschäftsbereich zu unterstützen.
Wie beeinflussbar sind Mimik und Körpersprache?
Mimik und Körpersprache sind, wie unsere Gesichtsausdrücke und Körperbewegungen, in vielerlei Hinsicht beeinflussbar. Dieser Einfluss kann sowohl bewusst als auch unbewusst erfolgen und wird oft von verschiedenen Faktoren bestimmt, beispielweise durch:
Emotionen: Emotionen haben einen starken Einfluss auf unsere Mimik und Körpersprache. Wenn wir fröhlich sind, strahlen wir das oft durch Lächeln und offene Körperhaltung aus. Emotionen können jedoch auch unbewusst unsere Mimik und Körpersprache beeinflussen, ohne, dass wir es beabsichtigen.
Kultur und Kontext: Die Interpretation von Mimik und Körpersprache ist stark kulturabhängig. Was in einer Kultur als selbstbewusstes Auftreten gilt, kann in einer anderen als unhöflich empfunden werden. Der Kontext, in dem die Interaktion stattfindet, ist ebenfalls von entscheidender Bedeutung. In einem formellen Geschäftsmeeting sind die Erwartungen an Mimik und Körpersprache anders als bei informellen, sozialen Treffen.
Training und Coaching: Menschen können durch Training und Coaching lernen, ihre Mimik und Körpersprache gezielt einzusetzen. Dies kann dazu beitragen, selbstsicherer aufzutreten oder in Verhandlungen effektiver zu kommunizieren.
Unbewusste Signale: Obwohl wir bewusst versuchen können, unsere Mimik und Körpersprache zu kontrollieren, senden wir oft unbewusste Signale aus. Dies liegt daran, dass Emotionen und Mimik limbisch gesteuert werden und damit als Mikroexpressionen nicht unserem Willen unterliegen.
Der Grad der Beeinflussbarkeit variiert von Person zu Person und hängt von verschiedenen Faktoren ab. Ein tiefes Verständnis von Mimik und Körpersprache kann in zwischenmenschlichen Beziehungen und Geschäftssituationen äußerst wertvoll sein, da es dazu beiträgt, Missverständnisse zu vermeiden und effektiver zu kommunizieren.
Inwieweit kann Profiling bei Konflikten oder festgefahrenen Verhandlungen helfen?
Profiling kann bei Konflikten und festgefahrenen Verhandlungen eine wertvolle Rolle spielen, indem es dazu beiträgt, ein tieferes Verständnis der beteiligten Parteien zu entwickeln und es kann vor allem das gemeinsame Verständnis der Streitparteien fördern. Außerdem ist es bei der Kommunikation und der Lösungsfindung oft hilfreich.
Viele Gespräche und Verhandlungen erfolgen mittlerweile digital. Da nutzt diese Methode wohl nicht, oder?
In der heutigen digitalen Welt, in der viele Gespräche und Verhandlungen online stattfinden, könnte man annehmen, dass Profiling, das oft auf der Beobachtung von Mimik und Körpersprache basiert, nicht anwendbar ist, da Bewegtbilder fehlen. Allerdings ist es wichtig zu betonen, dass Profiler nicht zwingend ein bewegtes Bild für ihre Analyse benötigen. Oftmals genügt bereits ein Foto oder eine begrenzte Anzahl von visuellen Informationen.
Profiling beruht auf der Analyse von Morphologie, Verhalten, Persönlichkeitsmerkmalen und Kommunikationsstilen. In digitalen Gesprächen können Profiler eine Vielzahl von Hinweisen aus dem Gesicht, der Morphologie des Kopfes, den schriftlichen Nachrichten, dem Tonfall, der Wortwahl und anderen nicht-visuellen Signalen extrahieren. Sogar Fotos oder statische Bilder, die im digitalen Kontext verfügbar sind, können Informationen über die Person und ihr Verhalten liefern. Darüber hinaus sind Profiler oft in der Lage, Potentiale, Muster und Eigenschaften zu identifizieren, die über visuelle Informationen hinausgehen.
Insgesamt bleibt Profiling auch in digitalen Gesprächen und Verhandlungen relevant und kann effektiv sein, selbst wenn nur begrenzte visuelle Informationen verfügbar sind. Die Fähigkeit, Verhalten und Kommunikation zu analysieren, geht über die reine visuelle Wahrnehmung hinaus und kann in verschiedenen Kontexten wertvolle Einblicke liefern.
Oft hat man es mit internationalen Geschäftspartnern zu tun. Ist die menschliche Mimik international? Was muss man beachten?
Die menschliche Mimik kann in vieler Hinsicht als eine Art universelle Sprache betrachtet werden, da grundlegende Emotionen und Ausdrucksformen weitgehend unabhängig von Kultur oder Sprache sind. Die sogenannten Primäremotionen wie Freude, Trauer, Angst, Wut, Überraschung und Ekel werden weltweit ähnlich ausgedrückt, da sie auf evolutionären Überlebensmechanismen beruhen.
Dennoch gibt es kulturelle Nuancen und Unterschiede im Ausdruck von Emotionen, die es zu beachten gilt, wenn man es mit internationalen Geschäftspartnern zu tun hat. Trotz der universellen Natur von Primäremotionen gibt es Unterschiede in der Intensität und Ausdrucksweise von Emotionen in verschiedenen Kulturen. Zum Beispiel kann ein Lächeln in einer Kultur als Zeichen der Zustimmung oder Höflichkeit verstanden werden, während es in einer anderen Kultur möglicherweise als Zeichen der Unsicherheit oder Unsicherheit interpretiert wird.
Die bevorzugte körperliche Distanz in Gesprächen kann von Kultur zu Kultur variieren. Einige Kulturen bevorzugen eine enge körperliche Nähe in Gesprächen, während andere mehr Abstand wahren. Dies kann die Interpretation von Mimik und Körpersprache beeinflussen. Die Fähigkeit, auf kulturelle Unterschiede in der Mimik und Körpersprache sensibel zu reagieren, ist entscheidend. Ein einfühlsamer und respektvoller Umgang mit internationalen Geschäftspartnern fördert das Verständnis und den Erfolg in interkulturellen Beziehungen. Insgesamt ist die menschliche Mimik eine wertvolle Quelle für das Verständnis von Emotionen und Absichten, die auch international genutzt werden kann.
Es ist jedoch wichtig, kulturelle Unterschiede und Nuancen zu berücksichtigen und sich bewusst zu sein, dass die Interpretation von Mimik und Körpersprache in verschiedenen Kulturen variieren kann. Sensibilität und Empathie sind Schlüsselkomponenten in der Zusammenarbeit mit internationalen Geschäftspartnern, um Missverständnisse zu vermeiden und erfolgreiche Beziehungen aufzubauen.
MK (L)
Unsere Gesprächspartnerin: Sabine Finkmann ist Betriebswirtin im Management, Wirtschaftsmediatorin, systemischer Coach, Emotionscoach, Mimikresonanz-Trainerin und Profilerin.
Bild: Sabine Finkmann