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Der Privat-Jet ist nicht nur ein Statussymbol

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Der Privat-Jet ist nicht nur ein Statussymbol

In der Öffentlichkeit ist die private Luftfahrt nur selten sichtbar, doch nimmt sie eine ganz besondere Rolle ein. Auch, wenn die Zielgruppe für Privat-Jets vergleichbar klein ist, sind die Bestrebungen der Branche, sich mit innovativen Technologien zukunftsfähig zu machen, enorm, was ein wichtiger Wirtschaftsfaktor ist. Gleichzeitig steht die private Luftfahrt vor ganz eigenen Herausforderungen, denn sie unterliegt einer spezifischen Dynamik. Aviation-Experte Antonio Cristofaro berät Luftfahrt-Unternehmen. In unserem Interview erklärt der Pilot, wie entscheidend das richtige Management ist und warum die Branche für die Wirtschaft von Bedeutung ist.

Herr Cristofaro, die Luftfahrtbranche, insbesondere die private, ist in der breiten Öffentlichkeit kaum wahrnehmbar. Wie ist es um sie bestellt?

Bevor ich auf Ihre Frage eingehe, möchte ich betonen, dass die Luftfahrt, sei es mit Privatjets oder Airlinern, eine essentielle Verbindung für die globale Menschheit darstellt. Trotz der scheinbaren Unsichtbarkeit spielt die private Luftfahrtbranche eine entscheidende Rolle in der weltweiten Mobilitätslandschaft. Die Fokussierung auf Exklusivität, Luxusreisen und maßgeschneiderte Dienstleistungen macht sie für spezifische Zielgruppen relevant.

Die Flexibilität und die Landingperformance eines Privatjets ermöglichen Unternehmern das Anfliegen von Flugplätzen, die für kommerzielle Fluggesellschaften unzugänglich sind. Die COVID-19-Pandemie hat die Bedeutung der Allgemeinen Luftfahrt gezeigt, als Airlines aufgrund von Beschränkungen am Boden bleiben mussten, während Privatjets unter Einhaltung der Kontaktbeschränkungen weiterhin operierten.

Abgesehen von den offensichtlichen Vorteilen hebt ein eigener Jet den Status eines Unternehmers. Die Möglichkeit, weltweit mit einem eigenen Jet zu landen, verleiht nicht nur Prestige, sondern verdeutlicht auch die Unabhängigkeit und Effizienz, die die private Luftfahrt bietet.

Die Luftfahrt ist ein sehr spezieller Sektor. Welche Synergien könnten Unternehmen hier nutzen, um flexibel, zum Beispiel für immer wichtiger werdende Umweltthemen, zu sein?

Die Luftfahrtbranche steigert ihre Flexibilität durch innovative Synergien, insbesondere vor dem Hintergrund wachsender Umweltanforderungen. Im Blickpunkt stehen die nachhaltigen Ziele bis 2035, mit den Chancen und Herausforderungen sowie den eingeleiteten Maßnahmen zu ihrer Bewältigung.

Nicht nur eine verstärkte Zusammenarbeit mit Technologieunternehmen für fortschrittliche Antriebssysteme, sondern auch Investitionen in emissionsarme Flugzeugflotten und ESG (Environmental, Social and Corporate Governance) stehen im Fokus. Diese Maßnahmen bieten nicht nur ökologische Vorteile, sondern sichern auch langfristige Wettbewerbsfähigkeit. Unternehmen können sich durch diese Synergien als Vorreiter in der Nachhaltigkeit positionieren und gleichzeitig den steigenden Umweltanforderungen gerecht werden.

Ein Einblick ins ESG verdeutlicht, dass Umwelt, Soziales und Unternehmensführung Schlüsselthemen sind. Die Branche steht vor Herausforderungen, doch einige Operatoren setzen bereits auf nachhaltige Praktiken wie Sustainable Aviation Fuel (SAF – nachhaltige Flugkraftstoffe) und Elektroflugzeuge. Als Berater für das einzige CS-25 fliegende Elektroflugzeug betone ich die Innovationskraft »Made in Germany«, die bereits bis zu 1:15 Stunden reine Flugzeit ermöglicht, ideal für Routen wie Hamburg-München oder Hamburg-Frankfurt.

Wie weit ist die Branche generell beim Thema Elektro-Antrieb?

Die Luftfahrt sieht sich signifikanten Herausforderungen gegenüber, allen voran dem CO2-Ausstoß und der Lärmbelastung. In den vergangenen Jahren waren wir Zeugen der letzten Generation – die Bedenken gengenüber deren Aktionen teile ich, denn abgesehen  von strafrechtlichen Konsequenzen und Verwüstungen ist eine echte Veränderung ausgeblieben.

Aktuelle Technologien und Antriebe für Flugzeuge zeigen vielversprechende Ansätze mit nachhaltigen Flugkraftstoffen, Elektroantrieben und Wasserstoff. Elektroantriebe und Wasserstoffentwicklung sind in der Frühphase, wobei technologische Innovationen und Investitionen Schlüsselfaktoren für nachhaltige Lösungen sind. Elektroflugzeuge stehen bereits in den Startlöchern und warten auf den Fortschritt der Batterietechnologie.

Hybridmodelle werden als die Zukunft gesehen, insbesondere in der privaten Luftfahrt. Diese Entwicklung wird sich in den nächsten fünf bis zehn Jahren weiter festigen, wodurch die Ziele für die Zukunft der Luftfahrt erreicht werden können.

Um aktiv in eine umweltbewusste Zukunft zu steuern, sollten Unternehmen verstärkt auf soziale Verantwortung und effektive Unternehmensführung setzen. Die ESG-Implementierung, mit maßgeschneiderten Workshops und Berichten speziell für die Luftfahrtindustrie, kann einen bedeutenden Beitrag leisten.

Wie stellt sich die Situation für ein privates Luftfahrt-Unternehmen dar, wenn es in Schieflage gerät. Und wie ist die Branche vernetzt, zum Beispiel, wenn es um Investoren oder Übernahmen geht?

Die Lage eines privaten Luftfahrtunternehmens in Krisensituationen erfordert eine professionelle Handhabung. Standardisierte und skalierbare Prozesse gewährleisten Sicherheit, vergleichbar mit einem Notverfahren in der Luftfahrt. Doch wird jemals trainiert, wie Unternehmen sich in Schieflage verhalten sollen? Die Antwort ist klar: nein.

Die Suche nach Investoren oder einem Käufer bei finanziellen Engpässen wird zu einer Prüfung der Reputation und Integrität eines Unternehmens. Ein bewährtes Instrument in dieser Situation ist die Kunst der Positionierung. Eine transparente Kommunikation und Wertschätzung der Mitarbeiter sind entscheidend, sowohl für internes Ansehen als auch für erfolgreiche Geschäftsprozesse.

Letztes Jahr brachte mir ein Anruf eine unerwartete Herausforderung: eine Anfrage zur Unterstützung beim Verkauf eines Privatjet-Unternehmens inmitten eines konjunkturellen Booms, aber begleitet von wirtschaftlichen Problemen. Ein vermeintlicher Mega-Deal entwickelte sich zu einer M&A-Distress-Situation mit russischen Privatjet-Inhabern und Investoren als Schlüsselakteure. Der Fall offenbarte, wie schnell sich das Blatt wenden kann. Das Unternehmen stand buchstäblich zwei Tage vor der Insolvenz, die schließlich unvermeidlich wurde – ein heikler Balanceakt zwischen Wohlstand und Untergang, der uns vor Augen führte, wie Einflüsse internationaler Investoren die Karten neu mischen können. Diese Geschichte zeigt die Bedeutung von Krisenmanagement und wie es selbst im Boomzeiten entscheidend ist, einen klaren Kurs zu halten.

In der privaten Luftfahrtbranche sind die Verbindungen so essentiell wie der Treibstoff. Investoren fungieren als Rettungsanker in stürmischen Zeiten, und transparente Kommunikation ist der Schlüssel, um Vertrauen zu sichern. Hier fliegen nicht nur Flugzeuge hoch, sondern auch die Netzwerke – von Vorständen über Prominente bis hin zu einflussreichen Entscheidern. Diese Einblicke in faszinierende Verflechtungen verdeutlichen, dass die Businessjet-Branche mehr als nur Höhenflüge bietet. Trotz aller Technologie erinnern wir uns daran: Am Ende fliegen Menschen und schließen Verträge mit Menschen ab. In diesem Umfeld steht der Mensch im Mittelpunkt, und eine herausragende Reputation schafft nicht nur Geschäfte, sondern auch treue Fans, die stets ihrem Star, dem Unternehmen als Privatjet Operator, nahe sein wollen.

Welche Grenzen gibt es beim Turnaround-Management?

Eine kritische Analyse der Ursachen für die Schieflage ist unumgänglich. Ein italienisches Sprichwort besagt: »Der Fisch fängt immer am Kopf an zu stinken.« Dies spiegelt die grundlegende Rolle des Managements in jeder Branche wider. Denn die Herausforderungen im Turnaround-Management sind vielschichtig – geprägt von rechtlichen, finanziellen und operativen Aspekten. Die Kunst besteht in effektiver Kommunikation mit Stakeholdern, klarer Priorisierung von Maßnahmen und flexibler Anpassung an sich wandelnde Umstände.

Die Expertise im Turnaround-Management basiert auf einer umfassenden Analyse und einem lösungsorientierten Ansatz. Wir minimieren die Grenzen, die solche Transformationen begleiten, und ermöglichen erfolgreiche Geschäftsrevitalisierungen. Dennoch stoßen wir auf eine fundamentale Barriere: wenn notwendige Sanierungsmaßnahmen nicht abgeschlossen werden können, sei es aufgrund von Unstimmigkeiten unter Unternehmergesellschaftern oder mangelnder Mitarbeitereinbindung. Am selben Strang zu ziehen ist entscheidend, um das Unternehmen erfolgreich in die gewünschte Richtung zu führen.

MK

Unser Gesprächpartner: Antonio Cristofaro ist CEO von Aquiscap, Pilot und Fluglehrer. Er berät private Luftfahrtunternehmen zu Strategien und Turnaround-Management.

Bild: Antonio Cristofaro

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