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Das Mindset im Silicon Valley

Viele Gespräche im Silicon Valley fangen mit aufrichtigem Interesse an: „Was macht dein Start-up?“, „Welches Problem versuchst du zu lösen?“ Rasch entwickeln sich daraus generative Diskussionen: „Hast du diese Alternative ausprobiert?“ Hier sind Geber und Macher am Werk, die sich gern zumindest fünf Minuten Zeit nehmen, um anderen zu helfen.

Respekt

Respekt ist, wenn man eine Person, Institution oder ein Ding verehrt oder wertschätzt. Respekt ist gut, er macht das Zusammenleben reibungsloser. Er kann aber auch Innovation verhindern, wenn wir aus falsch verstandenem Respekt nicht die richtigen Fragen stellen. Respekt kommt in drei Formen vor: Respekt gegenüber einer Institution, Respekt gegenüber einer Person und Respekt sich selbst gegenüber. Wenn man fragt, warum diese Person oder Institution etwas auf bestimme Weise macht und die gängige Reaktion darauf ist, diese Frage als Respektlosigkeit zu betrachten, dann haben wir ein Problem. Die Frage nach dem Wie und Warum eines Arbeitsprozesses und nach dessen möglicher Verbesserung muss losgelöst sein vom Respekt vor der Institution oder der Person.

Silicon-Valley-Start-ups hinterfragen oft implizit durch ihre Handlungen diese Prozesse. Uber stellt die Taxiregulierungen infrage, weil sich die Rahmenbedingungen geändert haben, für die sie erlassen wurden. Airbnb hinterfragt Gastgewerberegulierungen. Facebook und Google dehnen die Bestimmungen um den Datenschutz aus. Spotify hinterfragt das Lizenzmodell, das in der Musikindustrie lange galt. Silicon-Valley-Start-ups sind nicht die Ersten, die unter vermeintlicher Respektverletzung leiden. Charles Darwin und seine Evolutionstheorie wurde anfänglich als hirnrissig und respektlos tituliert. Er selbst wurde in aller Öffentlichkeit lächerlich gemacht. Der Arzt Ignaz Semmelweis erkannte, dass es zu weniger Todesfällen kam, wenn sich Ärzte zwischen der Behandlung von Patienten die Hände wuschen. Er wurde deshalb von der Ärzteschaft scharf angefeindet und starb im Irrenhaus an Verletzungen, die ihm Wärter zugefügt hatten.

Das alles hat nichts mit Respekt zu tun, sondern mit Innovation. Je mehr ein Start-up aneckt, desto disruptiver ist die Innovation. Anstatt reflexartig mit „Sie respektieren die Gesetze des Landes nicht“ zu reagieren, sollte man sich selbst die Frage stellen, ob die Gesetze und gültigen Prozesse angesichts der geänderten Lage nicht angepasst werden sollten. Steht die Gesellschaft mit der Innovation gesamtheitlich besser da als vorher oder bleibt man bei einem sturren `Gesetz ist Gesetz´? Als Innovator riskiert man, in den Augen der anderen an Respekt zu verlieren. Wie auch nicht, wenn die eigene Idee von den anderen als dumm angesehen wird? Jack Dorsey mit Twitter hat sich sicher mehr als einmal anhören müssen, wie dumm seine Idee (und er auch) ist. Einen Börsen­gang und ein paar Milliarden später ist es viel schwerer zu argumentieren, dass es sich um eine dumme Idee gehandelt hat. Wer meint, Start-ups und Innovatoren verhielten sich respektlos, übersieht, dass sie sogar mehr Respekt zeigen als die, die sie mit der Innovation überrollen. Sie erweisen der Allgemeinheit Respekt, indem sie ihr ihre Innovationen zugutekommen lassen.

Hacker

Der 1 Hacker Way beim Facebook-Hauptquartier ist eines der Epizentren der Hackerkultur. Ein Hacker ist jemand, der Freude daran hat, geistige Herausforderungen kreativ zu überwinden oder Beschränkungen zu umgehen. Wenn Facebook-Gründer Mark Zuckerberg zu Hackathons einlädt, tut er das mit dem Ziel, Positives zu schaffen. Hacker haben ihre eigene Ethik und einen Ehrencode, der besagt, dass der Zugang zu Computern uneingeschränkt möglich sein soll, der Zugang zu Information frei sein soll, Authoritäten misstraut werden soll und Dezentralisierung gefördert werden soll. Der Ehrencode bedeutet auch, dass Hacker nach ihren Leistungen beurteilt werden sollen, nicht nach Pseudoverdiensten wie akademischen Abschlüssen, Alter, Rasse oder Position; Kunst und Schönheit auf einem Computer erzeugt werden können und Computer das Leben zum Besseren ­verändern können. 

Lauscht man den Kindheitsgeschichten von Unternehmern und Ingenieuren, dann hört man viele schnurren, welche Geräte sie zerlegt und mit anderen Dingen zusammen­gesetzt haben, um zu verstehen, wie sie funktionieren, und sie vielleicht zu verbessern. Sie haben `gehackt.´ Und nicht nur das. Unternehmerisches Talent kann sich bereits sehr früh zeigen, allerdings anders, als man dies erwarten würde. Eine Analyse zur Kindheit erfolgreicher Unternehmer zeigte, dass sie mit höherer Wahrscheinlichkeit in aggressive, illegale oder riskante Aktivitäten verwickelt gewesen waren. Wolfgang Amadeus Mozart oder Steve Wozniak waren bekannt für die Streiche, die sie ihren Mitmenschen spielten.

Ambition folgt Leidenschaft und schafft Ausdauer

Wenn du nicht an deine Sache glaubst und das mit Leidenschaft vermitteln kannst, wer dann? Auf Konferenzen in Europa erhält man oft den Eindruck, der oder die Vortragende sehe sich lieber in einem anderen Beruf, so langweilig und uninspiriert wird vorgetragen. Wenn man zu enthusiastisch vorträgt, wird das als unehrlich oder zu aufdringlich gesehen und der Vortragende wird als wenig intelligent und naiv eingeschätzt. 

Autor:

Dr. Mario Herger leitet das Beratungsunternehmen Enterprise Garage Consultancy im Silicon Valley. Er forscht nach Technologietrends und ist Autor von zahlreichen Büchern.

Bildquelle: depositphotos.com/agsandrew, Dr. Mario Herger, Cover: Plassen Verlag

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